PORTRAIT
: Butros Ghali, Ägypter, Araber, Afrikaner — und Christ

■ Mit dem stellvertretenden ägyptischen Regierungschef ist ein erfahrener Diplomat zum UN-Generalsekretär gewählt worden

Der 69jährige Ägypter Butros Ghali, der am Donnerstag vom UN-Sicherheitsrat zum neuen Generalsekretär der Vereinten Nationen gewählt wurde — die Bestätigung der Wahl durch die UN-Vollversammlung ist nur noch eine Formalität — ist der erste Araber und Afrikaner, der dieses Amt bekleiden wird. Nachdem im letzten Jahr der ehemalige ägyptische Außenminster Abdel Meguid zum Generalsekretär der Arabischen Liga gewählt wurde, ist das der zweite diplomatische Durchbruch Kairos auf internationalem Parkett, der die zentrale Bedeutung Ägyptens für zukünftige Weichenstellungen im Nahen Osten unterstreicht.

Diejenigen in der islamischen Welt, die darauf gehofft hatten, daß endlich einmal ein Moslem dieses Amt bekleiden wird, dürften jedoch enttäuscht sein. Butros Ghali ist Christ. Er entstammt einer alteingesessenen koptischen Großgrundbesitzerfamilie aus Oberägypten.

Politik hat in der Familie Tradition. Großvater Pascha Butros Ghali war in der britischen Mandatszeit Ministerpräsident. 1910 wurde er von einem moslemischen Extremisten erschossen. Manche sagen, weil er Kopte war, andere sagen, weil er mit der Verpachtung des Suezkanals an Großbritannien bis zum Jahr 2008 Ägypten an die britische Krone verkauft habe. Der Enkel ist eher der französischen als der angelsächischen Kultur zugeneigt. Er studierte Jura in Kairo und promovierte 1949 in Frankreich. Nach seiner Rückkehr nach Äygpten arbeitete er als Journalist und lehrte Völkerrecht an der Politik-Fakultät der Kairo-Universität.

1977 ernannte ihn der ägyptische Ex-Präsident Sadat zum Staatsminister für auswärtige Angelegenheiten — zwei Tage vor seiner legendären Versöhnungsreise nach Israel. Ghalis Vorgänger im Amt war zusammen mit dem Außenminister aus Protest gegen die geplante Israel- Reise des ägyptischen Präsidenten zurückgetreten, und es war unter anderen Butros Ghali, der Sadat dann nach Jerusalem begleitete.

Man sagt, Butros Ghali spreche sechs Sprachen, darunter fließend Englisch und Französisch. Letzteres war von den Franzosen zur Voraussetzung ihrer Zustimmung zur Wahl des neuen Generalsekretärs gemacht worden.

Auch sonst dürfte Frankreich mit der Wahl Butros Ghalis zufrieden sein. Er ist der Architekt der ägyptischen Afrika- Politik mit besonders engen Beziehungen zu den frankophonen Ländern. Die Errichtung einer afrikanisch-frankophonen Universität in Alexandrien, ein äygptisch-französisches Gemeinschaftsprojekt, trägt ebenfalls seine Handschrift. Butros Ghalis besondere Aufmerksamkeit gilt den Entwicklungsproblemen in der Dritten Welt. Innerhalb der Organisation für afrikanische Einheit und der Blockfreienbewegung war er in den siebziger Jahren an der Ausformulierung der Forderung nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung beteiligt. International hat er sich entschieden für die Entschuldung der Entwicklungsländer, vor allem Schwarzafrikas, stark gemacht.

Innerhalb Äygptens gilt er neben dem Landwirtschaftsminister Wali als einer der stärksten Verfechter einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel. Zeitweilig verbreiteten ägyptische Oppositionszeitungen das Gerücht, Ghalis Ehefrau, eine ägyptische Jüdin, sei mit der Frau Schamirs verwandt, was jedoch von Regierungsseite als Verunglimpfung des Politikers zurückgewiesen wurde.

Butros Ghali ist Vorsitzender des Ahram- Forschungszentrums für politische Studien und Herausgeber der renommierten Zeitschrift 'Siyassa Daulia‘ (Internationale Politik).

Ivesa Lübben