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■ Lauer Konsens * "Berlin Mitte", Freitag, 22 Uhr, N3

Gestern die krebskranken Kinder, heute wieder mal die AusländerInnen. Georgia Tornow legt fragend ihren Kopf schräg, die Lippen streng gespitzt. Reinhard Mey wünscht sich wie immer von ganzem Herzen eine multikulturelle Gesellschaft, so richtig bunt.

Das Fremde soll nur schön exotisch bleiben, den Deutschen jedenfalls nicht zu nahe treten. Wenn das nichts nützt, gehen die Deutschen zum Helfen über, um sich die anderen vom Leibe zu halten. Haben die Amerikaner, seit 30 Jahren die Big Trainers dieses Landes, also versagt? Ron Williams, auch diesmal witzig mit Neigung zur Albernheit, kommt dabei auch gern auf die Rolle der Schwarzen in Amerika zu sprechen. Für Momente scheint es, als sei Deutschland vergleichsweise (Frankreich, Japan) ein harmloses Land. Und die Ostdeutschen werden noch lernen, sich mit ihren Vietnamesen abzufinden.

Der gute alte Bernd Engelmann griff ein und memorierte ganze Passagen aus seinem Buch Du deutsch, um die Vielfalt der deutschen Kultur als Ergebnis des hiesigen Völkergemischs zu preisen. Der Eklat drohte spät, aber nicht spät genug, um ihn nicht doch erfolgreich abwimmeln zu können. Der Platt- und Friesisch- Forscher Curtis-Fort, übrigens ein ungewöhnlich begabter Mann, erinnerte realistisch an die ausländischen Drogendealer auf deutschen Bahnhofsvorplätzen. Von allen Seiten niedergemurrt, wurde er das Opfer der fernsehgerechten Kultur des lauen Konsenses. Zwar war Georgia Tornow noch bemüht, Argumente zu sammeln, um dann möglichst zur Abstimmung zu kommen, da wurde im Publikum auch schon die Schnattergeste gemacht, und Bernd Engelmann erkannte als wahren Feind einer friedlichen Welt den Waffenhandel.

Frau Demirbüken versuchte noch rasch eine Unterscheidung von Emigranten und Asylanten. Das blieb aber glücklicherweise im Halse stecken. Was also tun mit unseren Deutschen? Reinhard Mey sprang mit blitzenden Eichhörnchen-Augen auf: „Mensch, erziehen, beeinflussen...!“ Dann stellte er sich zu den Dissidenten auf die Musikbühne und intonierte mit ihnen John Lennons Imagine, worauf meine Co-Beobachterin aufmaulte: „Da vergeht einem wirklich jede Lust auf multikulturell.“ Olga O'Groschen

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