Komplizen: Brutale Ehemänner und Ausländeramt

■ 25. November — Internationaler Tag „Nein zu Gewalt gegen Frauen“ startet bundesweit eine Kampagne gegen die rechtlose Lage von Migrantinnen in Gewaltsituationen

Berin (taz) — Dolores stammt von den Philippinen. 1986 lernt sie den Deutschen Hans durch eine Heiratsagentur kennen. Sechs Monate später zieht sie zu ihm nach Westdeutschland, wird aber bald schon von ihm körperlich und seelisch mißhandelt. Trotzdem heiraten die beiden 1989, weil Dolores damit ihren Aufenthalt in Deutschland legalisieren und eine Arbeit aufnehmen kann. Einmal stranguliert Hans seine Frau mit einem Schal fast zu Tode. Ein anderes Mal kratzt er ihr den Hals auf. Zweimal geht Dolores zum Arzt, ihr Körper ist voll blauer Flecken. Einmal ruft sie auch die Polizei. Die Beamten raten, sie solle ihren Mann verlassen. Mehr könnten sie nicht tun, da es sich um ein „familiäres Problem“ handele. Dolores wendet sich an die philippinische Botschaft. Dort rät man ihr, bis zum Ende ihrer vier Ehejahre bei Hans durchzuhalten. Noch fehlen ihr mehr als ein Jahr. Wenn Dolores die Schläge und Quälereien ihres Mannes nicht mehr aushält, flüchtet sie zu Freundinnen oder in ein Frauenhaus. Nach kurzer Zeit aber kehrt sie zu ihm zurück. Aus Angst, denn Hans droht ihr ständig, dem Ausländeramt mitzuteilen, daß sie sich von ihm getrennt hat. Ein Grund für Ausweisung.

Vielen Migrantinnen in der Bundesrepublik geht es wie Dolores. In den ersten vier Jahren ist ihr Aufenthaltsrecht an die existierende Ehe gebunden. Verläßt die Frau ihren gewaltätigen Mann bevor sie ein „selbständiges Aufenthaltsrecht“ erhält, muß sie Ausweisung befürchten. Selbst wenn nach der Trennung oder Scheidung die Frau ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhält, kann sie, wenn sie längere Zeit auf Sozialhilfe angewiesen ist, ausgewiesen werden. Zahlreiche deutsche Ehemänner erpressen ihre Frauen mit dem Ausländeramt, wenn diese sich gegen die Gewalt wehren und sich trennen wollen. Oft können sie dabei auf dessen bürokratische Komplizenschaft vertrauen. Denn das Ausländeramt glaubt in der Regel den Männern und wendet ihre Aussagen gegen die Frauen. Ausländische Frauen, die mit einem Deutschen verheiratet waren, erhalten selten das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder. Kriterien sind unter anderem: Beherrschung der deutschen Sprache oder die Vermittlung deutscher Normen und Werte, eine Fähigkeit, die einem deutschen Vater oft besser zugetraut wird.

Aufgrund der Pogrome gegen hier lebende Flüchtlinge und Minderheiten und anläßlich des diesjährigen internationalen Tages „Nein zu Gewalt gegen Frauen“, heute am 25. November, ruft Agisra (Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung) zusammen mit zahlreichen Beratungsstellen, Migrantinnengruppen, interkulturellen und Frauen-gegen-Gewalt-Gruppen zu einer Kampagne gegen die rechtlose Lage von Migrantinnen in Gewaltsituationen auf. Die Forderungen des gemeinsamen „Positionspapiers“ lauten:

— Maßnahmen und Gesetze gegen Gewalt müssen für Migrantinnen in gleicher Weise rechtswirksam sein;

— Gewalt, auch in der Ehe, muß strafrechtlich verfolgt werden;

— Trennung/Scheidung bei Gewalt in der Ehe darf nicht zur Ausweisung führen;

— Kriterien für die Sorgerechtentscheidung müssen der multikulturellen Gesellschaft entsprechen, das heißt, eine Kultur darf nicht höher als eine andere bewertet werden;

— der Bezug von Sozialhilfe darf bei Migrantinnen nicht zur Ausweisung führen;

— Migrantinnen müssen ein Ehe-unabhängiges Aufenthaltsrecht erhalten;

— mehr Übergangswohnungen und mehr Beratungsstellen müssen für Migrantinnen eingerichtet werden.

In verschiedenen Städten sind, im Rahmen der Kampagne, dezentrale Aktionen geplant. uhe

Aktionen: 25.11. Düsseldorf: Die NRW-Frauen-Vernetzung gegen Frauenhandel und Heiratshandel macht ein „Frauenspektakel“ im Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann in NRW, Breitestr. 27, 4000 Düsseldorf, 11.00 Uhr. Die Ministerin stellt sich dem Dialog mit einer Delegation der Vernetzungsfrauen. 25.11. Hamburg: „Amnesty for Women“ macht eine Demonstration gegen den Paragraphen 181 (Menschenhandel) und das AusländerInnengesetz. 25.11. Ulm: Agisra Ulm, Frauenhaus und Notruf für vergewaltigte Frauen machen öffentliche Aktionen in der Fußgängerzone zur Situation philippinischer und thailändischer Frauen. 26.11. Frankfurt: Agisra Frankfurt, Gespräch mit Margarete Nimsch, Dezernentin für Frauen und Gesundheit, zur Situation ausländischer Prostituierter und illegaler Hausmädchen.