INTERVIEW
: „Vukovar war nie serbisches Territorium“

■ Graf Jakob von Eltz (70), dessen Familie seit 1736 im slawonischen Vukovar residierte und dessen Zweitwohnsitz im Rheintal auf dem 500-DM-Schein abgebildet ist, über das Schicksal von Serben und Kroaten in seiner Heimatstadt

taz: Immer noch flimmern die schrecklichen Bilder der Zerstörung aus Vukovar über die Fernsehkanäle...

Von Eltz: Es ist so grauenvoll, ich kann es nicht mehr mit ansehen. Es ist unfaßbar, wie meine Heimatstadt dem Erdboden gleichgemacht wurde, wie viele Menschen auf schreckliche Weise ihr Leben ließen.

Sie sprechen von Ihrer Heimatstadt?

Ja, ich bin dort aufgewachsen. Die Familie Eltz erwarb die Region Srem im Jahre 1736. König Karl VI. fragte unsere Familie, ob wir uns nicht an diesem südlichen Donaulauf niederlassen wollten. Gerade war die Region von den Türken befreit worden, man suchte nach einem Adligen, der die Srem verwalten sollte. Und dabei fiel die Wahl auf unsere Familie.

Die jugoslawische Bundesarmee und serbische Freischärler behaupten, Vukovar sei altserbisches Land. Kam ihre Familie damals etwa als Eroberer?

Die Stadt Vukovar war in ihrer Geschichte nie serbisch. Von 1220, als Vukovar das Stadtrecht erhielt, bis 1526, als es unter türkische Herrschaft fiel, war es die Hauptstadt des Herzogtum Srem (wie Temeswar für das benachbarte Herzogtum Banat, Anm. der Red.). Als wir Vukovar im 18.Jahrhundert übernahmen, war es Teil des Königreiches Slawonien, Teil des heutigen Kroatien. Erst mit der kommunistischen Machtübernahme 1945 fiel ein Teil Slawoniens an die neugeschaffene Provinz Vojvodina. Und diese autonome Provinz Vojvodina wurde erst vor zwei Jahren mit Serbien gleichgeschaltet.

Aber waren nicht die Einwohner mehrheitlich serbisch?

Nein. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg waren mehr als die Hälfte der Einwohner Kroaten, etwa 20 Prozent Serben, der Rest Deutsche, Ungarn, Slowaken und Juden. Als ich zur Schule ging, war die Bevölkerung ganz bunt zusammengemischt. In den Kneipen sprach das Volk kroatisch, deutsch, ungarisch, serbisch. Es war ein Schmelztiegel. Die Menschen verstanden sich, niemand fragte, ob man Ivan, Jovan oder Johann hieß, ob man Serbe, Kroate oder Deutscher war.

Auch im Zweiten Weltkrieg?

Diese schreckliche Zeit kann man nicht mit heute vergleichen. Der Zweite Weltkrieg war ein globaler Krieg. Was jetzt dort passiert, ist ein völlig sinnloses Gemetzel an unschuldigen Menschen. Niemand versteht, was die Armee mit der totalen Zerstörung von Vukovar erreichen wollte. Welchen Zweck sie verfolgte, eine tausendjährige barocke Kulturstadt für immer auszulöschen.

Was werden Sie persönlich jetzt tun?

Das Schloß ist total zerbombt. Wer will es aufbauen? Seit der Enteignung 1945 war es ein kunsthistorisches Museum. Als ehemaliger Besitzer hätte ich einen Seitenflügel zurückbekommen können, der Rest hätte weiter als Museum gedient. Aber das ist nun vorbei: Gebäude lassen sich gegebenenfalls wieder aufbauen, Tote kann man begraben, aber den Haß in den Köpfen der Menschen, der läßt sich nicht auslöschen. Und der Haß, der mit der Zerstörung Vukovars gesät wurde, dieser Haß ist so schnell nicht zu überwinden. Und das bereitet mir Angst. Interview: Roland Hofwiler