Alle wollen Karlshorster Villen

■ Einen Großteil der von den Sowjets genutzten Liegenschaften übernimmt der Bund/ Auch der Berliner Senat hofft auf einen Teil des Kuchens

Karlshorst. Über die leerstehenden Villen und Wohnungen der aus Karlshorst abgezogenen Sowjetoffiziere und Soldaten (taz v. 25.11.) würden gerne diverse Berliner Behörden verfügen: das Bezirksamt Lichtenberg, der Berliner Senat und vor allem der Bund. Aber bevor sich die Anwärter um die zum Teil sehr schönen Liegenschaften streiten können, muß man sie erst mal haben. Und dies kann noch eine Weile dauern, denn zwischen den sowjetischen Militärs und der laut Einigungsvertrag für den Bund verhandelnden Vermögensabteilung der Oberfinanzdirektion (OFD) gibt es, wie ihr Leiter John sagte, »erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten«.

So ist der Oberfinanzdirektion nicht einmal bekannt, über wie viele Objekte, militärisch oder zivil genutzt, die Sowjets in Karlshorst eigentlich verfügen, geschweige denn, wie viele von diesen Anwesen bereits geräumt wurden. Im September legten sowjetische Emissäre der OFD- Referentin Heidrun Hendricks eine Liste von 30 freien Grundstücken vor und versprachen diese im Oktober dem Bund zu übergeben. Dazu kam es bis heute nicht, denn zum vereinbarten Übergabetermin erschien kein Russe, und eine neue Verabredung kam nicht zustande. Die Zahl von rund 30 bereits geräumten Liegenschaften hält Leonore Ansorg, Mitglied einer lokalen Bürgerinitiative und Sprecherin des beim Lichtenberger Bezirksamt angesiedelten »Konversionsausschusses« für stark untertrieben. ABM-Kräfte der Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg hätten im Oktober eine Liste von 224 Häusern mit insgesamt 600 freien Wohnungen in Karlshorst erstellt. Für 82 dieser Häuser lägen Anmeldungen auf Rückführung in Privateigentum vor. Nicht in dieser Liste aufgeführt sind die seit dem Sommer leerstehenden sowjetischen Kasernen auf dem Köpenicker Zwieselgelände. Es sind aber Gebäudekomplexe, die die Sowjets im Oktober hätten übergeben wollen, es aber dann nicht taten. »Wir insistieren weiter«, sagt OFD-Referent John. Das Kasernengelände sei »hochinteressant, denn es ist eine der größten zukünftigen Wohnungsbauflächen in Berlin«. Weil die Kasernen früher dem Deutschen Reich gehörten, seien die Eigentumsverhältnisse, nämlich der Bund als Rechtsnachfolger, hier eindeutig. Bei vielen anderen Anwesen, sagt John, seien die Eigentumsansprüche dagegen ungeklärt. Einige Besitzer der von den Sowjets bewohnten Villen seien offiziell niemals enteignet worden, andere Liegenschaften wiederum gehörten früher der Stadt Berlin, die meisten allerdings dem Deutschen Reich und damit heute dem Bund.

Die Berliner Finanzverwaltung hofft dennoch, daß sie von dem Kuchen, einige Stücke abbekommt. Unter der Federführung der Finanzverwaltung, sagt Sprecher Kammradt, habe sich im Frühjahr eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, die sich ausschließlich mit »alliierten Flächen« beschäftigt, vorläufig aber nur mit den von den Amerikanern, Franzosen und Briten genutzten. Über 75 Prozent dieser rund 14 Millionen Quadratmeter könne der Bund verfügen, sagt Kammradt, »über den Rest aber hoffentlich wir«. Karlshorst sei allerdings, weil die Sowjets schweigen, »leider« bislang kein Thema des Ausschusses gewesen. Anita Kugler