Ziviles Unvermögen

■ Die Waffen der Frauen müssen schärfer werden

Eine Talmud-Weisheit sagt: Wenn dich einer töten will, komme ihm zuvor und töte ihn. Angreifer haben sich noch nie von der Passivität ihres Opfers abschrecken lassen. Sich schlagen oder gar töten zu lassen, kann daher auch kein Beweis einer höheren Moral sein. Sich nicht tatkräftig zu wehren, bestätigt lediglich die Überlegenheit des Täters.

Daß von 30.000 Anfragen innerhalb eines Jahres bei der Berliner Polizei nach den Voraussetzungen für die Genehmigung einer Gas- oder Schreckschußwaffe nur 1.000 von Frauen kamen, wertete Ute Scheub in einem Kommentar am Wochenende als Beweis der »zivilisatorischen Fähigkeit« des weiblichen Geschlechts. Während die Berliner Männer die alte gewalttätige Hackordnung durchsetzten, läge Frauen der Griff zur Schußwaffe fern. Die weibliche Strategie ist immer noch das gewaltfreie Gespräch. Einmal abgesehen davon, daß Gewalttäter seltenst bereit sind, unmittelbar vor ihrem Angriff mittels eines Gesprächs zur Einvernehmlichkeit mit dem anvisierten Opfer zu gelangen, ist das zaudernde Verhalten vieler Frauen vor einer tatkräftigen Selbstverteidigung das genaue Gegenteil von »zivilisatorischer Fähigkeit«. Es ist vielmehr eine mit moralischen Kategorien verbrämte Feigheit, die lediglich dem Kalkül des Täters zuarbeitet.

Zu lange haben Frauen ihr selbstaufopferndes Erdulden gewaltätiger Verhältnisse mit einer Aura von Moral umnebelt, die sie davon befreite, selbst den Schritt zu tun und dem Täter Grenzen zu setzen. Manche wähnen dies als Zeichen moralischer Überlegenheit und tun dies mit einer Philosophie, die faktische Unterlegenheit festschreibt. Wer solches Verhalten auch noch lobt, fördert nicht nur falsche Hoffnungen, sondern auch Untätigkeit angesichts von Gewalt. Bei der körperlichen Gewalt, die an Frauen verübt wird, hätten gerade sie es am nötigsten, sich für ihre Selbstverteidigung zu interessieren.

Zivilisation hat durchaus mit Selbstbeherrschung zu tun. Das Verhalten vieler Frauen ist jedoch keineswegs mit Selbstbeherrschung zu verwechseln. Es zeugt vielmehr von der Angst, wie es ein Waffenhändler formulierte, »dem Täter weh zu tun«, beziehungsweise »den inneren Schweinehund zu überwinden« und das eigene Leben zu verteidigen. Von Selbstbeherrschung oder gar Moral kann erst die Rede sein, wenn Frauen der Gewalt fähig wären, im Einzelfall abwägten und zuschlügen, auch wenn sie sich im Grundsatz für zivilisatorische Selbstbeherrschung entschieden haben. Der Beweis für ein hohes Zivilisationsbewußtsein wären 29.000 Anfragen von Frauen gewesen, die eine Selbstverteidigungswaffe wollen und damit zeigen würden, daß sie bereit wären, der Männergewalt tatkräftig entgegenzutreten. Elisa Klapheck