Nabijews Triumph

■ Ein Alt-Apparatschik wird Präsident Tadschikistans

Rachman Nabijevitsch Nabijew, Sieger in der tadschikischen Präsidentenwahl vom letzten Wochenende, ist ein typisches Gewächs aus der Baumschule Breschnews. 1930 geboren, graduierte er wie viele spätere Technokraten der Stagnation als Ingenieur und stieg dann in gemischter Partei-/Staatskarriere zu den höchsten Ämtern der Republik auf: Ministerpräsident von 1973-82, danach Erster Sekretär der Kommunistischen Partei. Seinen Job als Statthalter verdankte er einer Nationalitätenpolitik der sowjetischen Zentrale, die einen vorsichtigen Kurs der Kader-„Verwurzelung“ verfolgte, dafür allerdings in Kauf nahm, die Kontrolle über die Seilschaften und Korruptionsnetze in den asiatischen Republiken mehr und mehr zu verlieren. Nabiew überlebte den Saubermann Andropow, festigte unter Tschernenko kurzfristig seine Macht, um dann 1985 als einer der ersten Provinzgewaltigen der Perestoika zum Opfer zu fallen. Die Stunde seiner Wiederauferstehung schlug, als er nach dem Scheitern des Putschs gegen Gorbatschow mit Hilfe der kommunistischen Parlamentsmehrheit in Duschambe den Ausnahmezustand proklamierte und so dem Verbot seines ehemaligen Arbeitgebers zuvorkam. Dauerproteste von Demokraten und „Islamisten“ zwangen den reaktivierten Kader zum Rückzug. Die KP wurde aufs neue suspendiert, aber Nabijew hob sich selbst als Präsidentschaftskandidat aufs Schild.

Seinen Wahlkampf bestritt der Wendekommunist mit „Ich oder das Chaos“-Parolen. Daß er, Wahlfälschungen hier und da zugestanden, eine eindeutige Mehrheit erhielt, ist weniger die Folge von Charisma oder zündenden Ideen, wie das Massenelend — 75 Prozent der Bevölkerung leben unter dem Existenzminimum — überwunden werden könne. Sein Sieg war notwendiges Produkt der unentwickelten politischen Verhältnisse Tadschikistans. Er selbst konnte sich auf ein noch funktionierendes Beziehungsnetz stützen, das bis in die Dorfsowjets und Kolchosen der entferntesten ländlichen Bezirke reichte. Sein potentieller Gegenspieler, das Lager der moslemischen „Wiedergeburt“, ist noch nicht politisch organisiert. Sein Hauptrivale aber, der Regisseur Chudonasarow, Einheitskandidat der Opposition, konnte sich nur auf die Aktivisten der städtischen Intelligenz stützen — einige hundert Enthusiasten der Demokratie. Christian Semler