Keine Chance gegen die „meiguo guizi“

■ Im WM-Halbfinale unterlagen die BRD-Fußballerinnen den US-Soccerinnen mit 2:5

Vor dem Spiel war alles klar: Die Soccerinnen aus Meiguo („schönes Land“) betraten als Favoritinnen den Rasen des alten, 1906 gebauten Provincial Stadions von Guangzhou. Während die USA das WM-Halbfinale nach einem gemütlichen 7:0-Spaziergang gegen Taiwan erreicht hatten, mußten sich ihre Gegenkickerinnen aus Deguo („Reich der Tugend“) gegen Dänemark durch eine kräftefressende Verlängerung quälen. Und während US- Coach Anson Dorrance seine fußballspielenden Girls mit den bisherigen Siegen in allen drei Länderspielen gegen die BRD weiter aufmuntern konnte, mußte Bundestrainer Gero Bisanz bereits in die Kiste mit den Durchhalteparolen greifen: „Wir müssen in der Abwehr fehlerlos spielen und auf unsere Konterchance warten.“

Dieses Warten hatte einen Namen: Heidi Mohr. 30 Prozent aller Torschüsse aus den Reihen der bundesdeutschen Frauen wurden von der „Goldhaarlöwin“ (Originalton chinesische Presse) getreten. Sogar 80 Prozent der Tore wurden im kleinen Niederkirchen besonders gefeiert. Trotzdem kickte sich die Verkäuferin Heidi Mohr nur auf Platz zwei der Scorerliste. Michelle Akers-Stahl jagte in diesem Jahr bereits 36 Bälle in die Maschen ihrer Länderspielgegnerinnen, acht davon bei der WM in China. Die 25jährige Kalifornierin spielt in Schwedens Semiprofiliga, weil sie in der Bundesliga niemand wollte. Nachdem Michelle Akers-Stahl im Mai 1991 zum 4:2-Erfolg der US-Girls gegen die BRD-Auswahl in Kaiserslautern zwei Tore beigesteuert hatte, bot sie Trainer Dorrance den deutschen Vereinen an: „Nur weg vom College-Gekicke in den Staaten.“ Niemand reagierte.

Im gestrigen Halbfinalspiel machten die Amerikanerinnen schnell alles klar. Die 10. Minute offenbarte die psychologische Situation auf dem Spielfeld: Christine Paul aus München trat im eigenen Strafraum überängstlich neben den Ball. Karin Jennings angelte sich die Lederkugel, und als ob es nichts Selbstverständlicheres gäbe, als die Tür zu einem WM-Endspiel zu öffnen, schob sie den Ball seelenruhig an der chancenlosen Torhüterin Marion Isbert vorbei. Selbst Doris Fitschen aus Wolfsburg, die ihrem chinesischen Ehrennamen „weiblicher Beckenbauer“ oft gerecht wurde, verschenkte Fehlpässe an die US-Girls. Michelle Akers-Stahl knallte das Leder zuerst aus 25 Metern an den Pfosten (20.), eine Minute später flog ihr Kopfball an die Latte.

Auch der „deutsche Buddha“, wie Chinas Zeitungen Bundestrainer Gero Bisanz nennen, bereitete seinem Ruf alle Ehre. Er beobachtete regungslos die Demütigung seiner Spielerinnen: Karin Jennings jagte zuerst aus 18 Metern den Ball in den Dreiangel (22.), dann profitierte sie von einem Abwehrfehler mit einem coolen Hattrick (33.). Voller Athletik und Aggressivität kamen die US- Soccerinnen zu vielen Torchancen, zwei davon nutzte Kapitänin April Henrichs. Die Spielerinnen des DFB hatten nur eins dagegen zu setzen: die deutsche Tugend Kampfkraft. Ihre geschickt herausgespielten Tore durch Heidi Mohr (34.) und Bettina Wiegmann (62.) werden sie ein wenig trösten. Über eins werden sie aber nicht hinwegtäuschen: Die deutschen Frauen hatten nie eine Chance gegen die meiguo guizi, die „amerikanischen Teufel“.

Im Endspiel treffen die Frauen aus den USA auf Norwegen, das Schweden mit 4:1 schlug.