Polens Koalition mauert

Machtprobe um die Ernennung des Regierungschefs  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Die erste Sitzung von Sejm und Senat in Polen hat eine weitere Verhärtung der Standpunkte in der Frage der Regierungsbildung gebracht.

Nachdem es der Fünferkoalition gelungen ist, praktisch alle Marschall-Posten in beiden Häusern mit ihren Verbündeten zu besetzen, hält zumindest die Zentrumsvereinigung eisern an ihrem Kandidaten Jan Olszewski fest, den Walesa allerdings nicht ernennen will. Als dessen Kandidat gilt inzwischen der bisherige Premier Jan Krzysztof Bielecki. Den hat Walesa bereits letzte Woche gebeten, im Amt zu bleiben. Dennoch erklärte die Regierung ihren Rücktritt, kündigte aber an, geschäftsführend im Amt zu bleiben.

Am Dienstag verkündete der neugewählte Sejmmarschall und bisherige Justizminister Chrzanowski dann überraschend, der Sejm werde in seiner ersten Sitzung nicht über den Rücktritt beraten, um allen Beteiligten Zeit zum Nachdenken zu geben. Die Beratungen über den Rücktritt der Regierung würden auf Wunsch des Präsidenten auf den 5.Dezember verschoben.

Bei der Eröffnung des Senats am Nachmittag hielt Walesa dann eine sehr entschiedene Rede zur Weiterführung des bisherigen Reformkurses: Er werde nicht zulassen, daß eine Partei im Namen ihrer eigenen partikularen Interessen der Republik die Kleider vom Leib reiße. „Man kann Reformen nicht wechseln wie Handschuhe.“

Sejmmarschall Chrzanowski, Premier Bielecki und Präsident Walesa trafen sich am Mittwoch morgen dann zu einem Gespräch beim Frühstück, über das keine Details bekannt wurden. Klar ist nur, daß Walesa einen Premier möchte, der für Kontinuität besonders in der Wirtschaftspolitik bürgt — also Bielecki.

Auf keinen Fall möchte er Olszewski mit der Regierungsbildung beauftragen, da dieser sich zu radikal geäußert habe. Zur Zeit hat allerdings nur Olszewski Aussicht auf eine Mehrheit im Parlament.