Deserteur soll abgeschoben werden

■ Amnesty international fordert Schutz für 28jährigen Kroaten, dem in Jugoslawien Todesstrafe droht

Berlin (taz) — Die Bilder erschossener Kroaten und Serben, zerbombter Häuser und überfüllter Hospitäler flimmern täglich über die Bildschirme, doch in der Berliner Ausländerbehörde scheint man über keinen Fernseher zu verfügen. Denn die Behörde ist offenbar fest entschlossen, einen 28jährigen kroatischen Deserteur wieder in den Bürgerkrieg zurückzuschicken, wo ihm wegen Fahnenflucht die Todesstrafe droht.

Anto Cavara hatte bereits mehrfach versucht, in die Bundesrepublik einzureisen — zuletzt am 23. September 1991. Cavara wurde prompt wegen illegaler Einreise festgenommen und sitzt seitdem in Abschiebehaft. Seinen Folgeasylantrag lehnte die Berliner Ausländerbehörde als „unbeachtlich“ ab, eine Duldung verweigerte man ihm ohne Begründung, obwohl das Leben des Kroaten inzwischen akut gefährdet ist. Denn nachdem Cavara im Juni 1991 nach Jugoslawien abgeschoben worden war, wurde ihm unmittelbar nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt Dobol in Bosnien-Herzegowina der Einberufungsbefehl der Bundesarmee in die Hand gedrückt. Cavara hielt es zwei Wochen beim Militär aus, dann floh er erneut nach Deutschland — und gilt in Jugoslawien seitdem als Deserteur. Seine Weigerung, in der jugoslawischen Armee zu kämpfen, hält die Ausländerbehörde zwar für „menschlich verständlich, asylrechtlich jedoch irrelevant“. Weshalb sie Anto Cavara mit Datum vom 5.11. 1991 aufforderte, innerhalb von zwei Wochen „freiwillig auszureisen“. Andernfalls werde man ihn in sein „Herkunftsland oder in einen von uns noch zu benennenden Drittstaat abschieben“. Eine Duldung verweigerte die Behörde.

Dazu ist sie nach Ansicht von Cavaras Rechtsanwältin Andrea Würdinger jedoch verpflichtet. Denn laut Ausländergesetz wie auch der Genfer Flüchtlingskonvention darf niemand in ein Land abgeschoben werden, wo ihm Gefahr für Leib und Leben droht. Die droht Cavara allemal, sagt die Menschenrechtsorganisation amnesty international. Denn Desertion kann nach dem jugoslawischen Strafgesetz in Kriegszeiten mit dem Tode bestraft werden. „Wird er abgeschoben“, glaubt Andrea Würdinger, „hat er keine Chance zu überleben.“ Amnesty international hat unterdessen die Berliner Innenverwaltung dringend aufgefordert, den 28jährigen Kroaten sofort aus der Abschiebehaft zu entlassen und ihm eine Duldung zu erteilen.

Der Protest zeigte Wirkung: Cavara sollte nach Auskunft der Innenverwaltung von gestern zumindest aus der Abschiebehaft entlassen werden, bis das Verwaltungsgericht über seinen Fall entschieden hat. „Nach Kroatien wird man ihn jedenfalls nicht abschieben“, erklärte Pressesprecherin Martina Ernst und verwies auf einen Beschluß der Innenministerkonferenz, wonach jugoslawische Staatsangehörige, egal welcher Herkunft, vorerst nicht in das umkämpfte Kroatien abgeschoben werden. Bleibt immer noch Bosnien-Herzegowina, wo Cavara herstammt. Auch dort sind die Bundesarmee und ihre Militärgerichtsbarkeit präsent. Andrea Böhm