Positive Vibrationen

■ »Galliano« im Quartier

England scheint der eigentliche musikalische »melting pot« dieses Planeten geworden zu sein. Während in den USA der musikalische Separatismus in jeder Hinsicht hohe Wellen schlägt, scheint im UK das Zusammenspiel der Hautfarben ganz nebenher zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein.

Im Falle des Galliano Project verbinden sich die Soul meets Reggae- Grooves, die spätestens seit Massive Attack zum Gütesiegel britischer farbiger Musik avanciert sind, mit den poetischen Ambitionen des Iren Rob Galliano. Eine etwas geschmäcklerische Mischung, zugegeben. Weil auf der Platte einmal Scat-Gesang zum Vortrag gelangt und des öfteren auch ein E-Piano halbwegs schräge Soli spielt, wurde Galliano zusammen mit vollkommen unterschiedlichen Acts wie den Dream Warriors oder A Tribe Called Quest in die Jazz/HipHop-Ecke gestellt. Hier und da kam Gegrummel auf. Musik fürs Designer-Wohnzimmer. Ausverkauf. Einfach konsumierbar.

Dabei ist Galliano eigentlich kein Rapper, dazu betont er die Silben viel zu britisch. Im Gegensatz zu den kämpferischen Heroen des US-HipHop ist seine Botschaft zudem denkbar unaggressiv, Liebe und Frieden, vertragt euch und achtet mir die Natur sowie eure Gefühle etc. Für die momentane Tour hat er diese Thematik auf das vernünftige Motto »feel the vibes« reduziert. Und eine Band mitgenommen, in der neben Angelsachsen auch Westindien und das ferne Afrika vertreten sind. Das Instrumentarium ist mit Baß, Drums, dezenten Keybords sowie diversen Percussions eher sparsam ausgefallen. Macht aber gar nichts. Warm und dicht klingt der Baß, leicht und flüssig das Schlagzeug.

Galliano, in eine anmutige Variation eines Matrosenanzugs gekleidet, erzählt, manchmal dem Rezitator näher als dem MC. Eine schwarze Frau singt. Der Rasta toastet. Das Publikum bewegt sich in leichten Wogen. Schwing. »The power and the glory«. »Little Ghetto Boy«. Die Selbstverständlichkeit, mit der Schwarz und Weiß zur Synthese gebracht werden, könnte zu tiefschürfenden Analysen anregen — aber lieber weiterschwingen. »Coming on strong«. Galliano mutiert allmählich zum Prediger. Es scheint von Herzen zu kommen. »Feel the vibes«. Die Band hüpft auf und ab, Baß und Schlagzeug halten den Groove. Die Percussions pluckern und tickern, etwas Latin, etwas Afro.

Rob Galliano stellt die Musiker vor, holt Publikum auf die Bühne. Eine Welle von Freundlichkeit geht durch den rappelvollen Saal. Vibrier. »Stoned again«. Und aus. Nur gutgelaunte Gesichter dringen aus dem Saal, über die Potsdamer hinüber ins »Kumpelnest«, und halten sich noch Stunden.

HipHop war das sicher nicht. Aber ein schöner Abend. Michael Betz