Diepgen verletzt Absprache

■ Koalition hatte vereinbart, daß Berlin Beschleunigungsgesetz nicht zustimmt

Berlin. Wegen des Abstimmungsverhaltens im Bundesrat beim sogenannten Beschleunigungsgesetz droht neuer Streit in der großen Koalition. Vor dem Parlament hatte Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) noch am vergangenen Donnerstag bekräftigt, daß Berlin nicht für das umstrittene Beschleunigungsgesetz stimmen werde. Doch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hielt sich am darauffolgenden Tag nicht an die Vereinbarung, die er mit dem Senat eingegangen war — der Regierungschef stimmte überraschend für das Gesetz. Hans-Peter Stadtmüller, Fraktionssprecher der SPD, sagte der taz, daß »eine Reihe Abgeordneter Diepgens Abstimmungsverhalten sehr ernst« nehme. Die SPD will auf ihrer morgigen Fraktionssitzung überlegen, wie sie sich gegenüber dem Regierenden Bürgermeister und der CDU verhalten wird. Welche Folgen das für die Koalition haben könnte, wollte Stadtmüller nicht abschätzen.

Das Gesetz, das am vergangenen Freitag den Bundestag passierte, betrifft hauptsächlich die neuen Länder und Berlin. Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) könnte jetzt neben Eisenbahnplanungen auch die diskutierte Nord-Süd-Straße (Westtangente), den geplanten Nord-Süd-Eisenbahntunnel unter dem Tiergarten, den Stadtring-Süd, die B 101 und die Autobahn entlang des Teltow- Kanals nach Schönefeld »beschleunigt« bauen. Thomas Mielke von der BISS, Bürgerinitiative Stadtring- Süd, kritisierte gestern den Bundestagsbeschluß. Betroffene könnten gegen Verkehrsprojekte nur noch vor der letzten Instanz, dem Bundesgerichtshof, klagen.

Berlins CDU ist für das Gesetz, weil nur ein schneller Ausbau der Verkehrswege die infrastrukturellen Probleme der Vereingung bewältigen könne. Die SPD ist dagegen, weil Umweltaspekte vernachlässigt und demokratische Rechte eingeschränkt würden. Ob das Gesetz in seiner jetzigen Form Bestand haben wird, bezweifelt Mielke. Voraussichtlich werde die Europäische Gemeinschaft klagen, da das Gesetz europäischen Richtlinien nicht entspreche. diak