Rußland läßt Sowjethaushalt zu

■ Jelzin und Gorbatschow einigten sich auf Nachtragsetat/ Einsparungen vereinbart/ Staatsbank erklärte Zahlungsunfähigkeit und darf jetzt weiter Rubel drucken/ Löhne und Pensionen garantiert

Moskau (ap/dpa/taz) — Nach der Bankrotterklärung der sowjetischen Staatsbank will Rußland mit massiven Ausgabenkürzungen den drohenden finanziellen Kollaps der UdSSR abwenden. Der russische Präsident Boris Jelzin hat sich am Samstag mit Michail Gorbatschow über einen Nachtragshaushalt für das Schlußquartal des Budgetjahres verständigt: Ein Nachtragshaushalt über 90 Milliarden Rubel soll die Staatsbank wieder in die Lage versetzen, die am Freitag mit ihrer Zahlungsunfähigkeit eingestellten Überweisungen für sämtliche Staatsausgaben wieder aufzunehmen. Jelzin erklärte, die Russische Föderation garantiere, daß alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst sowie Rentner, Studenten und Soldaten ihre Dezemberbezüge in Empfang nehmen könnten. Falls die Vereinbarung über den „konsolidierten Haushalt Rußlands und der Union“ an neuen Schwierigkeiten scheitern sollte, werde seine Regierung für die Finanzierung der Staatsausgaben einstehen. Die getroffene Vereinbarung schließt auch die Übernahme des Finanzministeriums der UdSSR durch die Russische Föderation ein. Die Republik verfügt bereits über die meisten Einnahmequellen der Staatsbank. Außerdem soll sich Rußland bereit erklärt haben, für die Staatsbank Kreditgarantien zu übernehmen. Die Moskauer Zahlungsnöte haben zunächst keine Auswirkungen auf die Rückzahlung der sowjetischen Auslandsschulden. Die Gerüchte über den baldigen Zusammenbruch der Außenhandelsbank reißen jedoch nicht ab. Für Verwirrung sorgten Meldungen, wonach ab Montag alle Privatkonten auf russischen Banken eingefroren und außer Löhnen kein Bargeld mehr ausgezahlt werden soll. Die russische Regierung ließ dies jedoch dementieren. Unklar blieb, ob die Einigung über den Nothaushalt noch vom Unionsrat abgesegnet werden muß. Die zweite Kammer des sowjetischen Parlaments hatte dem Haushaltsgesetz am Donnerstag die Zustimmung verweigert. Die Vorlage war auf den entschiedenen Widerstand russischer Abgeordneter gestoßen, die vor fatalen Folgen einer weiteren Ausgabenfinanzierung über die Notenpresse auf Inflation und Rubelwert warnten. Staatsbankchef Geraschtschenko hatte daraufhin am Freitag erklärt, die Kassen seien leer: Seine Gosbank verfüge lediglich noch über drei Milliarden Rubel. Finanzexperten schätzen das Defizit im UdSSR-Haushalt für das vierte Quartal allein auf 110 Milliarden Rubel. Durch die Staatsbank-Pleite wären nicht nur die Gehaltszahlungen, sondern auch die Aufrechterhaltung des Eisenbahnverkehrs sowie die Tätigkeit sämtlicher Staatsbehörden im In- und Ausland gefährdet gewesen. Bei einem längeren Zahlungsstillstand hätte das Land soziale Unruhen unabsehbaren Ausmaßes zu befürchten. es