„Ich hoffe, sehr begeistert zu sein“

■ Irmgard Gaertner, designierte Sozial- und Gesundheitssenatorin, hat Pläne

taz: Was lockt Sie an dem, was Sie von bremischer Sozialpolitik wissen?

Irmgard Gaertner: Ich werde immer angesprochen: 'Wie kannst du sowas machen, die in Bremen haben ja überhaupt kein Geld.‘ Nun — ich weiß eigentlich keine Stadt, kein Land, keine Region, die in der Sozialpolitik nicht ein Stück am Stock geht. Dies ist mir also wohlvertraut — bedauerlicherweise. Ich muß auch hier beim Landeswohlfahrtsverband in Hessen seit fünf Jahren gucken, daß ich zu meinem Geld komme. Es ist aber leichter, wenn man gute Argumente hat.

Welche Schwerpunkte haben Sie im Blick?

Sie können mich natürlich nicht fragen, was ich in Bremen schwerpunktmäßig angehen werde. Denn wenn ich Senatorin werden sollte, muß ich mich selber erstmal umgucken in der Stadt. In meinen bisherigen Arbeitsfeldern waren Schwerpunkte im Bereich Behindertenpolitik, Altenpolitik, Arbeitsplätze für Schwerbehinderte, Kinderbetreuung, eine bürgernahe Führung von Krankenhäusern. Und das wird mich auch in Bremen erwarten.

Es ist viel von einer Streitschrift die Rede, in der Sie ähnliche Ziele formuliert haben.

Es handelt sich um keine „Streitschrift.“ Sondern ich habe im Sommer den Griffel gespitzt und eine Denkschrift zur Zukunft des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen zu Papier gebracht. Ich bin aber, wenn es sein muß, auch streitbar. Aber nicht, um mich in den Vordergrund zu stellen.

Die Bremer SPD-Frauen beschweren sich, daß nun ausgerechnet wieder eine Senatorin von außen importiert wird.

Ich finde dies natürlich sehr bedauerlich. Frauen können es sich in ihrer derzeitigen gesellschaftlichen Situation überhaupt nicht leisten, gegeneinander aufzustehen, sondern müssen miteinander dafür

kämpfen, daß mehr Frauen in die gewichtigen Positionen reinkommen. Insofern kann die Alternative eigentlich nicht lauten: entweder Irmgard Gaertner oder Frau X. Sondern die Alternative kann eigentlich nur lauten: Irmgard Gaertner plus Frau X.

Es wird auch gesagt, Sie seien frauenpolitisch engagiert.

Ich habe sehr lange Jahre in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen mitgearbeitet. Hier habe ich 9.500 Mitarbeiter, und davon sind mehr als 50 Prozent Frauen. Es gibt eine Fülle qualifizierter Frauen, in den Eingangsstufen der Berufe befinden sie sich zu Hauf. Aber je höher es dann auf der Leiter geht, um so seltener werden sie. Seit meiner Zeit als Behördenchefin habe ich, zusammen mit meiner Frauenbeauftragten, sehr daran gearbeitet, daß dies allmählich abgebaut wird — ohne daß ich durchschlagende Erfolge aufzeigen könnte, denn so schnell geht das leider Gottes nicht.

Sie kommen in ein Bremen, das von einer Ampel regiert wird. Ist das für Sie eine Möglichkeit, bundespolitische Verhältnisse aufzumischen?

Ich bin kein Gegner von Koalitionen in der Politik. In den meisten Fällen muß man sich mit andern zusammentun, um bestimmte Sachen durchzusetzen. In der Situation, in der sich die SPD in Bremen zur Zeit befindet, blieb ihr ja auch gar nichts übrig. Es sei denn, sie hätte sich für eine Koalition mit der CDU entschieden. Das war wohl echt nicht spruchreif, jedenfalls nicht innerhalb der Partei. Ich weiß, daß viele Bremer selber da ein bißchen anders denken. Oder in die Opposition zu gehen, was aber wohl auch keine Alternative wäre. Im Klartext: Es ist eine Chance. Ein Stück Herausforderung.

Sie treiben in Hessen die Psychiatriereform voran. Bremen hat da schon einiges hinter sich.

Für mich bedeutet Psychiatriereform in einem Flächenstaat wie Hessen, daß die großen Fachkrankenhäuser für Psychiatrie verkleinert werden und parallel dazu in der Gemeinde ein Bündel von Angeboten für psychisch Kranke und psychisch Behinderte aufgebaut wird — von der Beratungsstelle bis zur betreuten Wohngemeinschaft usw.

Ich habe mich über die Auflösung des Klosters Blankenburg sehr eingehend schon vor Jahren informieren lassen und habe mir das auch angeguckt, weil das schon beispielhaft ist. Ich kann natürlich zur Zeit schlecht übersehen, wie jetzt in der Praxis die Versorgung funktioniert. Das muß ich mir ansehen und hoffe, sehr begeistert zu sein.

Wenn Sie Gesundheitssenatorin werden, müssen Sie sich auch mit dem Bremer Methadonkonzept auseinandersetzen.

Auch da müßte ich mir Details ansehen. Aber ein solches Programm ist längst überfällig — überall.

Wenn Sie bisher über 9.500 MitarbeiterInnen und einen 2,5 Milliarden-Etat verfügen, ist Bremen dann für Sie nicht ein Rückschritt?

Sie können die Macht ja nicht nur am Gelde messen. Es ist ganz bestimmt kein Rückschritt, sondern für mich bietet Bremen den Reiz, wieder sehr viel hautnaher mit Problemen des normalen Bürgers konfrontiert zu sein.

Werden Sie Samstag zum SPD-Parteitag kommen?

Ja natürlich.

Es wird immer gesagt, Sie fordern eine Mehrheit, die sie bestätigen muß. Wie hoch setzen Sie die Hürde für die Genossen denn an?

Ich kann die Zusammensetzung des Parteitages, die Stimmungen in der Partei, die Strömungen pro und contra das Personalkonzept des Bürgermeisters so wenig einschätzen, daß ich mich standhaft geweigert habe, Prozentzahlen zu nennen. Aber: Ich wünsche mir doch sehr, daß eine gute Mehrheit des Parteitages meint, die Irmgard Gaertner ist vielleicht doch nicht die schlechteste Wahl.

Interview: Birgitt Rambalski