Weniger Heimplätze für Ost-Berlin

■ Jugendsenator Krüger will Plätze in Kinder- und Jugendheimen um ein Viertel kürzen/ Mangelnde Auslastung/ Ehemalige DDR-Heime kämpfen mit schlechtem Image/ Rückkehr zu Kleingruppen

Berlin. Ein Viertel der Plätze in Ostberliner Kinder- und Jugendheimen werden abgebaut. Das teilte Jugendsenator Thomas Krüger gestern vor dem Jugendausschuß mit. Seit der Wende sind die meisten Heime im Ostteil nicht ausgelastet: Von 1.128 Plätzen in 33 Einrichtungen sind knapp 400 nicht belegt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Einerseits versuchen immer noch Eltern, ihre vor der Wende eingewiesenen Kinder wieder nach Hause zu holen, andererseits wollen viele ihre Kinder lieber im Westteil oder in den alten Bundesländern unterbringen. »Die Glaubwürdigkeit der Heime im Ostteil ist ein Riesenproblem«, weiß auch Elke Rowald vom Kindernotdienst. »Dabei hat sich schon viel getan. Aber das Vertrauen wird erst mit der Zeit kommen.«

Unmittelbar nach dem Mauerfall, so Rowald, seien zahlreiche Kinder aus Heimen abgehauen und bei ihr in der Notaufnahme gelandet — Kinder aus Rostock, Cottbus oder Brandenburg. Inzwischen sei der Trend wieder rückläufig. Schwierig seien oft nicht nur die Gespräche mit den Eltern, sondern auch mit dem Jugendamt. »Viele Ämter sind noch im Aufbau, und die Eltern haben kein Vertrauen mehr in Behörden.«

Aufgeschreckt durch den Skandal um Zwangsadoptionen in der DDR, gerieten die Jugendämter massiv unter Beschuß und entließen viele Kinder ohne weitere Untersuchung der familiären Verhältnisse aus den Heimen. Diese Beobachtung machte jedenfalls Hans Leitner, kommissarischer Leiter des Treptower Heims T.S. Makarenko mit 200 Plätzen. »Die ersten Kinder, die entlassen wurden, sind schon wieder da, und es kommen immer noch welche«, erzählt Leitner.

Viele Eltern hätten ihre Kinder völlig unberechtigt im allgemeinen Sog aus dem Heim genommen und seien dann doch im Umgang mit ihnen gescheitert. »Viele Jugendamtsentscheidungen waren fachlich nicht haltbar.« Leitner fürchtet aufgrund der sozialen Spannungen ein Ansteigen der Heimeinweisungen in den kommenden Jahren. Niemand wisse, wie viele Familien noch zerbrechen und ihre Kinder weggeben würden.

Derweil ist die Umgestaltung der Ostberliner Heime noch in vollem Gange. Aus altershomogenen, nach Schulklassen geordneten Gruppen werden gemischtaltrige, die auch Geschwister aufnehmen. Gerade in den letzten Jahren der DDR wurden zahlreiche kleine Heime geschlossen und Massenheime mit mehr als 200 Plätzen errichtet. Jetzt wird dies wieder rückgängig gemacht. Ein Lichtenberger Heim mit 150 Plätzen soll bei den anstehenden Baumaßnahmen völlig entflochten und für Kleingruppen eingerichtet werden.

Krüger will die 246 Säuglingsplätze um die Hälfte kürzen und statt dessen Mutter- und Kindgruppen einrichten. Das erste Mutterhaus ist bereits in Hohenschönhausen eröffnet worden. Gefördert werden sollen außerdem Jugendwohngemeinschaften, in denen Jugendliche die Selbständigkeit erlernen. Krüger gestand aber auch, bei der Suche nach freien Trägern für derartige Projekte wie auch für die Kinder- und Jugendheime bisher »in etlichen Fällen« gescheitert zu sein. jgo