INTERVIEW
: „Japans Reichtum wächst auf Kosten meines Volkes“

■ Mujan Wan, eine Dorfvorsteherin aus Sarawak (Malaysia), protestierte in Japan gegen die Zerstörung ihrer Heimat

taz: Japan ist der größte Tropenholzimporteur der Welt. Das meiste Holz stammt aus Malaysia, aus Ihrem Land. Verstehen die Japaner überhaupt etwas von den Problemen, die der Kahlschlag Ihnen bereitet?

Mujan Wan: Hier in Japan haben mir viele Menschen die richtigen Fragen gestellt und damit gezeigt, daß sie unsere Probleme nachvollziehen können. Aber das kann meinen Ärger über dieses Land auch nicht mindern. Mit jedem Tag, der vorübergeht, werde ich ärmer, während Japan reicher wird. Japans Reichtum geht auf meine Kosten.

Wissen Ihre Landsleute eigentlich um die Verantwortung Japans für den Tropenholzabbau?

In Sarawak kann uns der direkte Einfluß Japans gar nicht richtig bewußt werden. Denn zu uns kommen chinesische Holzfäller, die für Handelsfirmen aus Kuala Lumpur oder Hongkong arbeiten. Sie werden von der malaysischen Polizei beschützt, denn der Dschungel gehört nicht uns, sondern der Regierung. Die Gesetze, die ihnen den Raubbau gestatten, stammen wiederum von der lokalen Regierung in Sarawak. Soweit kannte ich die Geschichte. Die andere Seite des Problems habe ich erst hier in Japan kennengelernt.

Auf welcher Seite muß die Veränderung beginnen?

Auf Sarawak kämpfen wir seit Jahren gegen die Waldzerstörung. 1987 begannen wir mit einer Straßenblockade, die weltweit Aufsehen erregte. Mein Vater und mein Onkel mußten aufgrund der Teilnahme an solchen Blockaden Gefängnisstrafen absitzen. Doch was immer wir vor Ort auch unternahmen, an den Tatsachen hat sich bis heute nichts geändert. Von Tag zu Tag nimmt die Zerstörung zu, wird unser Leben immer unerträglicher. Deswegen bin ich heute — wie schon einige Männer aus unseren Dörfern vor mir — nach Japan gekommen. Ich glaube, wenn wir noch jemals einen Erfolg verbuchen sollten, dann nur hier in Japan.

Was werden Sie Ihren Nachbarn erzählen, wenn Sie wieder zu Hause sind?

Ich werde Ihnen von den Antworten erzählen, die ich von Japanern erhalten habe. Vom Verständnis der Bürgermeister in Tokio, Yokohama oder Kioto, die uns empfangen und versprochen haben, politische Maßnahmen einzuleiten. Aber auch von der Ignoranz der großen Firmen. Wir hatten eine Unterredung im größten Handelshaus der Welt, bei der Mitsubishi Corporation. Ich bin immer noch ganz wütend. Der Mitsubishi-Mann hörte uns nur wenige Sekunden an, dann sagte er, daß die Holzfällerei unseren Wald gar nicht zerstören könne, da man die Wälder ja mit Hubschraubern absuche, um anschließend nur fünf Bäume pro Hektar zu fällen. Dann gab er mir ein Comic- Heft, das seine Firma für japanische Schulen konzipiert hat und das den Holzabbau in Südostasien beschönigt. Zum Schluß sagte er dann noch, daß seine Firma unser Holz nur kaufe und deshalb ohnehin keine Verantwortung für unsere Wälder trage. Wir sollten lieber zu den Unternehmen gehen, die die Bulldozer auf Sarawak in Gang setzen. Alles, was der Mann sagte, war leeres Gerede, hinter dem nur der Gedanke an Geld steht. Er behandelte uns mit ungeheurer Geringschätzigkeit.

Wie ertragen Sie die Folgen der Zerstörung?

In den Wäldern rund um meinem Dorf dauert der Kahlschlag zur Zeit noch an. Doch bald werden die Holzfäller weiterziehen. Wir aber, die zurückbleiben, müssen nun neue Ertragsquellen erschließen. Denn die Tiere und Waldfrüchte, von denen wir lebten, sind verschwunden. Als ich zwölf Jahre alt war und in die Mittelschule gehen durfte, jagte mein Vater Wildschweine und bezahlte mit dem Erlös mein Schulgeld. Heute ist es für mich sehr schwierig, meine beiden Söhne in die Schule zu schicken. Es mangelt uns heute sogar oft an Nahrungsmitteln, weil der Wald nichts mehr hergibt. Deshalb habe ich mich als Leiterin unser Frauengruppe im Dorf um neue Beschäftigungen gekümmert: Handarbeit und Gemüseanbau zum Beispiel. Doch im Dschungel läßt sich nichts verkaufen. Wollen wir dort, wo wir wohnen, überleben, dann brauchen wir dringend ausländische Hilfe, um ein neues landwirtschaftliches Modell für die Zukunft zu entwickeln.