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Wie ein Senat zustande kommt

■ Nachträge zu einer langen Nacht des SPD-Landesvorstandes

Am Freitag vor einer Woche traf sich der SPD-Landesvorstand mit Klaus Wedemeier zur Nacht der langen Messer. Denn viel schwieriger ist es für die GenossInnen, ihre diversen Proporze und Quoten in einer Nacht durch sieben Ämter zu teilen, als mit Grünen und FDP wochenlang eine Ampelkoalition auszuhandeln.

Es war so etwa 18.30 Uhr, als der designierte Finanzsenator Grobecker dem überraschten Bürgermeister mitteilte, daß er „keine Lust mehr“ habe. Da waren zwei Frauen bereits auf dem Weg in die Hansestadt: Irmgard Gaertner, nach eigenen Angaben nachmittags zum ersten Male mit dem Thema konfrontiert, und Elke Leonhard, Bundestagsabgeordnete. (Wahrheitswidrig sollte Wedemeier am Samstag der Presse erzählen, er stehe „seit langem“ mit den beiden Frauen in Gesprächen.) In Wahrheit hatte er mit dem Gedanken gespielt, nur zwei Frauen vorzuschlagen, eine Sondersitzung des Vorstandes machte ihm klar, daß das nicht laufen würde. So kam kurzfristig die Hessin Irmgard Gaertner ins Spiel.

Zwischen 19 und 20 Uhr muß Wedemeier auf dem Papier eine neue Regierungsmannschaft entworfen haben: Kröning, eigentlich als vierter Mann schon auf die Reservebank verbannt, sollte für Finanzen einspringen, Scherf bei Bildung/Wissenschaft bleiben, Beckmeyer Häfen machen. Für Justiz und Bundesangelegenheiten sollte Elke Leonhard engagiert werden, Irmgard Gaertner hatte neben Soziales/Gesundheit auch Frauen, Eva-Maria Lemke-Schulte wurde zum Bau versetzt, Beckmeyer Arbeit zugeschlagen, Sabine Uhl fehlte. „Insgesamt herrschte eine starke Betroffenheit über den Vorschlag“, umschreibt Horst Isola die Stimmung.

Im Verlaufe der Debatte kamen die abenteuerlichsten Kombinationen auf den Bürgermeister-Zettel. Für den SPD-Vorstand war klar: zwei Frauen von außen läuft nicht. Also wurde Elke Leonhard per Autotelefon abgesagt, sie drehte ab und kehrte nach Bonn um. Automatisch wurde deshalb Kröning als einziger Jurist neben Henning Scherf wieder auf Justiz gesetzt, bekam das Häfen-Ressort dazu, denn für die Bremerhavener Bank Uwe Beckmeyer blieben plötzlich nur Finanzen übrig.

Gegen 3 Uhr schließlich, als der UB-West einen kompletten Gegenvorschag mit Kunick als Häfen- Senator hatte, bat Wedemeier um eine Unterbrechung, er konnte nicht mehr. „Geh Du allein runter“, habe er gesagt, berichtete Isola, „das wars, das wird beschlossen“. Wedemeier habe ihm unter vier Augen erklärt, er habe keinen neuen Vorschlag mehr zu machen. Isola ging runter und berichtete, und der SPD-Vorstand beschloß, was gerade der Stand des Personalkarussells war.

Rosi Roland

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