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Ohne Schlafplatz

■ Weibliche Drogenprostituierte fallen durch die Raster

Wo übernachtet eine Drogenprostituierte, die kein eigenes Bett und keine Wohnung hat, wenn draußen Minustemperaturen herrschen? Bei einem Freier, der sie als Gegenleistung für sexuelle Dienste pappihaft beherbergt? Oder in einer Bauruine, ohne Wasser, ohne Türen? Oder in einem Waschsalon? Oder auf einer Kartonpappe in der Hochgarage?

Zumindest im letzten Winter waren damit die Wahlmöglichkeiten der frierenden „Drogenfrauen“ so ziemlich erschöpft. Denn was für die Frauen vom Drogenstrich nicht in Frage kommt, sind die Notunterkünfte in Bunkern und Containern, die für Drogenabhängige allgemein eingerichtet werden. Der Grund: Die Frauen fürchten die massive Gewalt innerhalb der Szene. Die Sozialpädagogin Rike Griska (28) forderte deshalb gestern Bunker und Container „nur für Frauen“.

Die Sozialpädagogin arbeitet in dem einzigen Haus, daß nachts für die Frauen vom Drogenstrich — wenn auch nur für eine begrenzte Zeit — geöffnet ist. Das Haus in der Schmidtstraße nennt sich „gesundheitsförderndes Nachtangebot für Drogenprostituierte“ und wird getragen vom Verein „Kommunale Drogenpolitik“. Pro Nacht kommen rund 30 Drogenprostituierte, davon 20 obdachlose, in das Haus, um sich zu wärmen, um zu klönen, zu duschen, zu essen, sich verbinden zu lassen. Spätestens um fünf Uhr müssen alle Besucherinnen wieder raus in die Kälte. Denn das Projekt in der Schmidtstraße ist als „Nachtangebot“ und nicht als „Übernachtungsangebot“ konzipiert.

Projekt-Koordinatorin Sabine Michaelis (37) hofft jetzt auf ein Einsehen in der Sozialbehörde: „Es wird immer schwerer, die Frauen morgens um fünf Uhr aus der Türe zu werfen.“ B.D.

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