Frauen haben das Recht, Bauarbeiterin zu sein

■ Im Ostteil Berlins gründet LIFE eine »gewerkeübergreifende Frauen-Baugruppe gegen Arbeitslosigkeit und Dequalifizierung«

Berlin. Life is life, but LIFE is more: nämlich die »Lerninitiative Frauen entwickeln Ökotechnik«. Im Jahr 1985 entstand LIFE in West-Berlin als Trägerin einer mädchen- und frauengerechten Bildungsarbeit. Zunächst arbeitete die Initiative ausschließlich unter dem Dach der Technischen Universität. Um ein zweites eigenständiges Standbein zu haben, gründeten die LIFE-Frauen 1987 einen Verein. Berufsvorbereitungslehrgänge für arbeitslose Frauen sind unter den Fittichen von LIFE entstanden. Und das Ausbildungsprojekt »Gas-Wasser-Sonne« sowie ein ökotechnisches Weiterbildungsprojekt von Handwerkerinnen mit dem wohlklingenden Namen »Berlin Futura«.

Seit Mitte dieses Jahres gibt es LIFE auch in Ost-Berlin. Drei sogenannte »Regiefrauen« leiten das Projekt. Eine von ihnen kommt aus Ostdeutschland: Heidemarie Weber, Ökonomin und Gewerkschafterin. Die beiden anderen sind die Politologin und frauenpolitische Sprecherin der AL, Lydia Hohenberger, sowie die Diplompädagogin und Tischlerin Dorothea Schemme.

Zu dritt entwickelten sie die Idee, in den neuen Bundesländern eine Fraueninitiative gegen Arbeitslosigkeit und für eine Qualifizierung unter Einschluß ökologischer und ökotechnischer Kenntnisse aufzubauen. Aus diesen Ansätzen wurde dann ein ganzer Strauß von Projekten. In der Dircksenstraße 47 (S-Bahn-Station Marx-Engels-Platz) entsteht beispielsweise ein ökotechnisches Bildungszentrum für Frauen. Hier werden vom 2. Januar an Architektinnen, Bauingenieurinnen und Meisterinnen aus dem Baugewerbe vier Wochen lang die Schulbank drücken. Danach bilden sie selbst aus. Und zwar im Rahmen des ersten großen Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekts von LIFE-Ost: der »gewerkeübergreifenden Frauen- Baugruppe«, zu der Maurerinnen, Malerinnen, Metallschlosserinnen, Elektroinstallateurinnen und Tischlerinnen gehören. Sie alle sind entweder arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht.

Zwei Jahre soll dieses Projekt laufen. Die Lohnkosten für die auf ABM-Basis beschäftigten Teilnehmerinnen, anderthalb Millionen Mark im Jahr, werden vom Arbeitsamt getragen. Hinzu kommen noch 750.000 Mark für Sachmittel, für die das Arbeitsamt jedoch nur mit 225.000 Mark aufkommt. Den Rest müßte der Senat übernehmen. Ob er das will, ist noch nicht sicher. Das Projekt ist zwar bewilligt, aber bislang nicht für zwei Jahre, sondern nur für 13 Monate. Zwar sind die ABM-Stellen der 38 Frauen für die gesamte Zeit gesichert. Doch die Unsicherheit in bezug auf die Sachmittel für das zweite Jahr könnte lebensbedrohlich werden. »Für unser Projekt sind die Sachkosten vielleicht noch bedeutsamer als für andere«, sagt Heidemarie Weber. Die Werkstätten müssen ausgerüstet, ein Maschinenpark muß angelegt werden.

Nun sind die Frauen von LIFE im östlichen Berlin Probleme bei der Umsetzung ihrer Ideen gewohnt. Und das nicht nur im finanziellen Bereich. Die drei LIFE-Mitarbeiterinnen mußten zum Beispiel bei den Arbeitsämtern erleben, daß dort oft das Vorurteil gilt, daß qualifizierte Frauen aus den neuen Bundesländern auf dem Arbeitsmarkt keine Chance hätten. Frauen mit Berufsabschluß wurden daher häufig nicht in eine Ost-West-Anpassungsweiterbildung vermittelt, durch die ihr Abschluß auf westdeutsches Niveau gebracht werden könnte. Statt dessen schickt man sie in kurzzeitige Umschulungsmaßnahmen, die sie jedoch nicht ausreichend weiterqualifizieren, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können.

Mit der »gewerkeübergreifenden Frauen-Baugruppe« soll ein Zeichen gegen den »gegenwärtigen Verdrängungsprozeß von ostdeutschen Frauen aus der Baubranche« gesetzt werden. 20 Prozent der Arbeitszeit widmet sich einem vielseitigen Qualifizierungsprogramm. Über eine Anpassungsfortbildung werden westliche Standards und Arbeitsweisen vermittelt. Für eine eigenständige Existenzgründung in der Zukunft ist eine kaufmännische Fortbildung vorgesehen. Und schließlich kann die bauökologische Zusatzqualifikation die Konkurrenzfähigkeit der beteiligten Frauen im Baubereich erhöhen. Außerdem erprobt das umfangreiche Ausbildungsprogramm »frauenspezifische Zugangs- und Vermittlungsformen zu ökotechnischen und handwerklichen Problemen und Aufgaben«.

Wenn die Baufrauen am 1. Februar loslegen, werden sie ihre Arbeitseinsätze gut timen müssen. Schon jetzt gibt es eine lange Liste von Frauenprojekten, Kindertagesstätten und anderen sozialen oder kulturellen Einrichtungen, die ihre Räumlichkeiten durch die Frauen vom Bau renovieren lassen wollen. Verständlich, denn diese Initiativen verfügen selbst kaum über Geldmittel. Da kann es ihnen nur recht sein, daß die Frauen-Baugruppe lediglich die Materialien bezahlt haben will und ansonsten ihren Lohn aus dem ABM-Topf erhält.

Was die handwerkliche Arbeit angeht, setzt LIFE mit den Baufrauen ein weiteres Zeichen: In der alten Bundesrepublik gilt nach wie vor der §16 des »Arbeitszeitordnungsgesetzes« aus dem Jahre 1938, der Frauen die Arbeit als Maurerin, als Dachdeckerin oder als Zimmerin verbietet. Das Projekt »gewerkeübergreifende Frauen-Baugruppe« soll ein »praktisches Beispiel dafür sein, daß ein aus faschistischen Zeiten stammendes Arbeitsverbot für Frauen in den Berufen des Bauhauptgewerbes längst auf den Müllhaufen der Geschichte gehört«. So ein LIFE-Faltblatt. Diese Endlagerung mag kein leichtes Unterfangen werden. Das Gesetz selbst gilt von 1993 an womöglich auch in den neuen Bundesländern. Bis dahin werden die drei von LIFE-Ost ohnehin noch um die Weiterführung ihres Bauprojektes kämpfen müssen. Dabei bleibt für sie der Senat der Hauptansprechpartner. Die Projekte von LIFE werden von den SenatorInnen gern als positive Beispiele einer frauenfördernden Arbeitsmarktpolitik dargestellt. Für die LIFE-Frauen folgt daraus, daß die politische Exekutive dann auch in der Pflicht sei, die Existenz des Projektes finanziell zu sichern. Such is life. Martin Forberg