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»Zeit der Heimlichkeiten«

■ »Berlin privat«: Das Heimatmuseum Charlottenburg präsentiert eine kleine Sonderschau zum Thema Weihnachten von 1900 bis 1960

Charlottenburg. Das »Fest der Liebe« hatte schon immer einen versteckten erotischen Touch. Selbst die Illustrierte 'Grüne Post‘ konnte sich vor dem Weihnachtsfest im Jahre 1932 nicht zurückhalten: »Die Zeit der Heimlichkeiten«, lockte ihre Schlagzeile die Voyeure aller Couleur. Darunter Fotos von kichernden Kindern, die einen Blick durchs Schlüsselloch wagen. Und eins von Papi, der einem Schrank an die Wäsche geht. Bildunterschrift: »Im großen und ganzen sind Väter etwas tolpatschig in der Vorbereitung von Ueberraschungen. Wie beglückt ist Vati schon, dieses Versteck gefunden zu haben!«

Der Zeitschriftenausriß gehört zu den Sammelstücken, die BürgerInnen aus Charlottenburg, Marzahn oder Köpenick irgendwo aufbewahrt und dem Heimatmuseum Charlottenburg für die kleine Sonderschau Berlin privat. Weihnachten von 1900 bis 1960 zur Verfügung gestellt haben. »Uns interessiert das Alltagsleben von jedermann«, kommentierte Museumsleiterin Birgit Jochens die gestrige Ausstellungseröffnung. Die Leihgaben — Bilder, Wunschzettel, Weihnachtsschmuck oder Backrezepte aus Kriegszeiten — seien »kulturgeschichtliche Zeugnisse von Rang«.

Das gilt besonders für die rund 50 Fotos, auf denen sich ein Ehepaar Wagner aus Schöneberg von 1900 bis 1945 immer wieder selbst vor dem Christbaum verewigte. Eine Familie aus Marzahn hatte die Fotoserie von der Oma geerbt, ohne Näheres über die Wagners zu erfahren. Auf den zur Jahrhundertwende entstandenen Bildern dräut geballte wilhelminische Erotik: sie, sitzend mit einer weißen Spitzenschürze; er, stehend mit einem degenähnlichen Stock. Humor müssen die beiden aber ebenfalls besessen haben: Über dem handschriftlichen Vermerk »Modell 1903« finden sie sich vor einer gigantischen Kamera wieder, mit einem Auslöser, der wie ein Klistier für Riesen aussieht. Die Kriegsweihnacht 1917 feiert das Paar im Mantel: »Kohlemangel«. Ab 1919 wird der Gabentisch wieder reicher gedeckt, bis dann schließlich 1927 ein ganz besonderes Geschenk, ein Staubsauger in seiner vollen Pracht ins Bild gerückt wird. Ein wenig dick und behäbig ist Frau Wagner inzwischen geworden, während Herr Wagner nun auch schon mal eine Brille benötigt.

War er Fotograf von Beruf? Was sie wohl tat? Haben sie auch dem Führer zugejubelt? 1936 lassen sie sich hinter einem Volksempfänger ablichten, 1940 müssen sie erneut im Mantel feiern, 1942 sind die Häuflein auf dem Gabentisch schon sehr klein und die beiden sichtlich alt geworden. 1945, auf dem letzten Foto, wiegt die einst so stattliche Dame des Hauses, wie sie darunter wohl selbst vermerkt hat, nur noch »40 Kilo brutto«.

Weihnachten in Kriegszeiten: »Ein Prosit für das neue Friedensjahr 1915«, winken uns auf einer Postkarte durch den Schnee stapfende Soldaten mit fröhlichem Zynismus zu. Und die »Eisenbahner-Weihnachten im Osten« feiert ein Kalenderblatt vom Dezember 1943 folgendermaßen: »Eisenbahner sind es in ihrem Berufsleben gewohnt«, daß sie »am deutschesten aller Feste« nicht zu Hause sein können — sondern sich wohl gerade mit Judentransporten fürs Vaterland opfern. Weihnachten, die Zeit der Heimlichkeiten. Ute Scheub

Heimatmuseum Charlottenburg, Schloßstr. 69, di.-fr. 10-17 Uhr, so. 11-17 Uhr.

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