QUERSPALTE
: Die Mark aller Dinge

■ Europa fordert ein erschütterndes Opfer von den Deutschen

Was ist das Maß aller Dinge, der bewegten und unbewegten, der sichtbaren und unsichtbaren, des Schönen, Guten und der Waren? Natürlich, the one and only Deutschmark. Auferstanden aus Ruinen, Ergebnis der einzigen wirklichen Katharsis deutschen Wesens nach den Mißlichkeiten der paar Jahre vor ihrem segensreichen Eintritt in die deutsche Geldbörse.

Die Idee war gut: Geld statt Geschichte. Ein Programm mit Zukunft, ohne Vergangenheit. Auch den richtigen Namen hatte sie, nicht einfach Mark — nein, Deutsche Mark. Erst später, als die vergangenheitslose Zukunft zur Gegenwart geworden war, wurde es familiärer: Sag doch einfach Mark zu mir. Da hatte die Deutsche Mark den Deutschen wieder zu ihrem Deutschsein verholfen — europaweit. Erinnern Sie sich noch, wieviel man mit dieser Mark auf Capri oder in Paris anfangen konnte? Selbst in der Fremde durfte der Deutsche wieder Deutscher sein. Für's Reisen reichte die Mark, für solcherart Erfahrung mußte nicht mehr die Wehrmacht her und die Gastländer nebenbei in Schutt und Asche legen. Ein echter Zivilisationsschub.

Und erinnern Sie sich, gerade vorgestern? Die strahlenden Gesichter der neuen Einheitsdeutschen, die so manchen in Mark und Bein erschütterten. Warum strahlten sie so? Wegen der Freiheit? Wegen der Gleichheit? Wegen der Brüderlichkeit? Schwierige Fragen. Für die einfache Antwort bemühte 'Bild‘ nun Martin Peters aus Halle: „Die D-Mark war unsere Zukunft.“ Schon wieder.

Jetzt soll sie uns allen genommen werden, unsere Zukunft. Unsere Deutsche Zukunft. Kaum darf sich endlich ein gesunder Nationalismus auch bei uns entfalten — und dann so was. Die Deutschen sollen sich aufgeben, die kurze Geschichte mit neuer Mark und neuem Wir-Gefühl ist schon wieder zu Ende, die D-Mark soll geopfert werden — dem Ecu. Jahrelang ließ sich das Geschwätz um europäische Kommissare, Butterberge und Währungsschlangen übersetzen in die müde Bitte: „Hasse ma 'ne Mark“, und Europa blieb, was es seit dem Sonnenuntergang hinter Capri war: erweitertes Naherholungsgebiet. Doch plötzlich wird's ernst. Europa wird zur Identitätsbedrohung. Spätestens 1999 ist es vorbei mit Deutschtum und Deutschmark — nichts anderes verbirgt sich hinter dem netten Etikett „Währungsunion“. Pflichtbewußt formuliert wieder 'Bild‘ die Klage: „Unser schönes Geld!“ Können Sie sich die Frankfurter Hüter der Stabilität unseres Volkes in der Fremde vorstellen? In Lyon oder gar in Manchester? Und so rufen wir mit 'Bild‘ auf zum Widerstand: „Nix Ecu!“ Am Deutschen Mark, pardon: an der Deutschen Mark muß Europa genesen! Andreas Rostek