Kartellamts-Chef warnt EG-Gipfel vor französischer Industriepolitik

Bonn (dpa/vwd) — Der Präsident des Bundeskartellamtes, Wolfgang Kartte, hat die Europäische Gemeinschaft (EG) mit scharfen Worten vor einer falschen Industriepolitik gewarnt. „Die europäische Wettbewerbspolitik steckt in einer Krise“, sagte er am Freitag auf einer Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Weltwirtschaft. Sie werde „mehr und mehr von nationalen industriepolitischen Interessen überwuchert“.

Kartte warf der europäischen Industrie vor, sich bereits jetzt mit zahlreichen Anti-Dumping-Verfahren bei der EG-Kommission zu Lasten der Verbraucher „ziemlich lautlos Luft vor ausländischer Konkurrenz“ zu verschaffen. Vom EG-Gipfel in Maastricht Anfang nächste Woche „droht noch Schlimmeres“, sagte er. Europa werde „die Schwelle von der Marktwirtschaft zum Neo-Merkantilismus überschreiten“, wenn dort die industriepolitischen Vorschläge Frankreichs durchgingen. Neo-Merkantilismus bedeutet eine staatliche Wirtschaftslenkung wie Anfang dieses Jahrhunderts. Damit würden für alle Unternehmen und Branchen, die den Beamten der EG zukunftsträchtig oder sonst förderungswürdig erschienen, neue Subventionstöpfe geöffnet.

Es sei ein „fauler Kompromiß und ein Fehler“ gewesen, die Fusionskontrolle für große Unternehmen vor zwei Jahren der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel anzuvertrauen, ohne gleichzeitig ein selbständiges EG-Kartellamt einzurichten. Während der zuständige britische EG-Kommissar Leon Brittan ein „Ritter ohne Furcht und Tadel“ sei, mische sich der deutsche EG- Kommissar Martin Bangemann immer wieder in die Wettbewerbspolitik ein.

Wolfgang Kartte warnte auch davor, das „Feindbild Japan“ weiter zu schüren. Protektionismus und Subventionen hätten erfahrungsgemäß immer nur zu einer Schwächung der geschützten Branchen geführt. Die deutsche Autoindustrie habe in den siebziger Jahren gezeigt, wie man die japanische Herausforderung annehmen könne, und sie sei dadurch stärker geworden. Wenn es im Verhältnis zu Japan Wettbewerbsstörungen geben, müßten die Regierungen diese mit den Mitteln des Welthandelsabkommens (Gatt) lösen „und nicht wie bei Hahnenkämpfen“.