Theater, nur ein Traum?

■ William Mastrosimones »Tagträumer« im Freien Schauspiel Neukölln

Der Truckfahrer Cliff wird von der Supermarkt-Verkäuferin Rose in ihre Wohnung eingeladen. Er erzählt von der Straße und sie von ihren Wünschen, Träumen und der Vergangenheit. Doch der ersehnte körperliche Kontakt bleibt aus. Enttäuscht verläßt Cliff ihre Wohnung, hinterläßt ihr aber seinen Pullover. Rose träumt von dem Zusammensein mit Cliff; der kehrtunverhofft zurück,— das Spiel der verbalen Annäherung kann von neuem beginnen. Am Ende bleibt Cliff bei Rose, und wenn sie nicht gestorben sind...

Der Text von William Mastrosimone (der durch sein Vergewaltigungsdrama Extremities weltweit bekannt wurde) erinnert vom Arrangement her an Sam Shephards Fool for Love. Der Unterschied zu dem packenden Einöd-Drama zwischen Mann und Frau besteht aber darin, daß in Shephards Stück die Personen aufgrund ihrer verzweifelten Liebe etwas zu sagen haben. In Tagträumer gibt es diesen Grund nicht, und so bleiben nur Witzeleien zwischen zwei Personen, die sich treffen, aber nicht entwickeln. Weder aufeinander zu noch voneinander weg.

Auf der Bühne von Nina Hüsges stehen ein Schrank, ein Campingtisch, ein Stuhl, ein Messingbett, ein amerikanischer Kühlschrank und vertrocknete Sonnenblumen in Blechdosen. Cliff ist natürlich truckermäßig ölverschmiert und mit Cowboystiefeln beschuht, trinkt Büchsenbier und raucht die Zigaretten mit dem Geschmack des Wilden Westens. Seine Wortwahl schließt selbstverständlich »Ey« und »Baby« mit ein, und was er zu sagen hat, könnte aus dem Handbuch des Kleinstadt-Machismo stammen. Markus Weiß spielt diesen Typ leider »eins zu eins«, und so wirkt seine Rolle wie ein Abziehbild. Keine Brechung, keine Nuancierung: eine Person aus Pappe, die unwillentlich zur Parodie ihrer selbst gerät. Denn Floskeln, Phrasen und flotte Sprüche machen auch auf den harten Highways Amerikas noch keinen Menschen. Marina Behnke als Rose dagegen, die von ihrem Äußeren an eine Nachfolgerin von »Momo« erinnert, scheint kein einziges ihrer Worte zu glauben, und so bleibt es beim auswendig gelernten Text. Dazu bewegt sie ihren Körper von Positur zu Positur, unnatürlich und gestellt.

Die Regie von Thomas Borgmeyer beschränkt sich auf das Festlegen von Gängen und Positionen. So bleiben die Rollen von Cliff und Rose unbelebt und wirken künstlich hergestellt. Da sich die beiden Darsteller nur über das Sprechen mit ihrer Rolle identifizieren, wird jede Interaktion von vorneherein ausgeschaltet. Doch gerade das schadet diesem Zweipersonenstück auf engstem Raum: zu gerne würde man sehen, wie die Fassaden bröckeln und die Herzen sich in der Verzweiflung am jeweils anderen ein wenig öffnen. Und wenn Rose auch sensibel, verträumt und introvertiert ist, braucht sie deshalb noch lange nicht unerotisch hölzern und dümmlich weltabwesend zu sein. Cliff wiederum muß nicht unbedingt alle gängigen Klischees des kalten Straßenhelden bedienen und Phrase auf Phrase schnoddrig herunterschwafeln, um als beinharter und damit eigentlich unantastbarer Mann der Straße zu überzeugen.

Dieses Stück, das letzten Endes nur eines von vielen zu demselben Thema ist, handelt von der Sensibilität, die Menschen notwendigerweise entwickeln müssen, um zueinanderzufinden. Diese Sensibilität vermißt man im Umgang der Regie mit den Schauspielern. Wenn man im Off- Theater die Vorlagen der großen Bühnenautoren benutzt, muß man sich entweder dem Experiment mit dem Neuen, Andersartigen stellenoder in einem konventionellen Rahmen besser, origineller arbeiten als die Staatstheater. Hat man zu beidem nicht den Mut oder die Kompetenz, ist man besser beraten, sich auf Uraufführungen oder selbstgeschriebene Stücke zu kaprizieren. Denn Träume allein sind zu wenig. York Reich

Nächste Termine: 13.-16.12. jeweils um 20 Uhr im Freien Schauspiel, Pflügerstraße 3, Neukölln.