Der Nikolaus tanzt Lambada aus Aserbaidschan

■ Eine Nikolausfeier im Asylbewerberheim als Zeichen guter Nachbarschaft/ Designer und Artisten übernehmen eine Partnerschaft/ Ausländerfeindlichkeit auch in Privatinitiative angehen: Nicht für, sondern mit den Betroffenen

Charlottenburg. Der Nikolaus rollt nervös die Augen in seinem schwarzen Gesicht hin und her. Er mimt den Mann im roten Mantel zum ersten Mal. »Außerdem weiß ich gar nicht, wo und wie ich spielen soll, es ist gar kein Platz.« Der Raum in dem DRK- Asylbewerberheim am Stuttgarter Platz ist gedrängt voll. Fast alle der 160 Bewohner sind zur Nikolausfeier gekommen. Flüchtlinge aus über 20 Ländern, von Vietnam über Pakistan bis Angola, warten in dem mit Tannenbaum und einer bunten Lichterkette geschmückten Aufenthaltsraum auf Magic Alexander, auf die Jongleure und natürlich auf den Nikolaus selbst. Während eine aserbaidschanische Kapelle neben Folklore La Paloma und Lambada zum Besten gibt, schwirren gut sechzig Kinder aufgeregt durch den Raum. Für die neunjährige Tahmina ist es das zweite Mal im Leben, daß sie dem Nikolaus begegnen wird. »Im Iran gibt es den nicht, dafür haben wir ein anderes großes Fest im Frühling«, erzählt das Mädchen, das schon seit zwei Jahren mit seiner Familie hier wohnt.

Ein »Zeichen guter Nachbarschaft« sei dieser Abend, sagte Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel (SPD). Eine demokratische Gesellschaft, die zudem nicht arm sei, könne durch den Umgang mit anderen Kulturen nur bereichert werden. Auch dankte sie den benachbarten Kirchengemeinden Lietzensee und Trinitatis sowie der Mahnwachengruppe für die Unterstützung des Wohnheims. Auch hob sie die Initiative der Berliner Zimmer-Design- Agentur hervor, die als Unternehmen eine Patenschaft für dieses Wohnheim übernommen hat. »Hinsichtlich der Ausländerfeindlichkeit ist auch Privatinitiative gefragt.«

Für die Kinder wird es erst richtig interessant, als der Magic Alexander aus einer Zauberkerze ein Federbüschel macht und Schallplatte in rote, blaue oder gelbe Scheiben verwandelt. Bei dem Versuch, aus einem magischen Kochtopf ein Kaninchen hervorzuzaubern, müssen sie lautstark Unterstützung durch Zaubersprüche oder magische Bewegungen leisten.

Während David vom »Scheinbar«-Varieté mit Bällen, Keulen und Schuhen jongliert und einen Stuhl auf dem Kinn spazierenträgt, kann sein Kollege nur noch zuschauen. Ein Kind sitzt auf seinem Arm, interessiert sich weit mehr für die rote Schaumgumminase und denkt gar nicht daran, diesen Platz zu räumen. Beide Artisten verzichteten auf ihre Gage und luden die Kinder ein, sie in ihrem Theater zu besuchen.

Schließlich kommt dann zu den Klängen von Hawa nagila der Nikolaus in den Raum, eher tanzend denn schreitend. Nach anfänglichem Klatschen wird es still. Der Nikolaus ruft die Kinder einzeln nach vorn, und es gibt ein Geschenk aus dem großen Korb. Die Initiative, private Patenschaften für Wohnheime zu übernehmen, ging von der stellvertretenden Bürgermeisterin von Berlin, Christine Bergmann (SPD), aus. Er sei »schon seit langem mit der Faust in der Tasche herumgelaufen«, wenn er von Übergriffen der Skins oder anderen Ausländerfeindlichkeiten gehört habe, sagt Kai Moslé, Geschäftsführer der Zimmer-Design-Agentur. »Als ich im Radio von der Idee hörte, das Thema Ausländerhetze zu privatisieren, hab' ich gleich angerufen.« Die MitarbeiterInnen seien auch sofort eingestiegen und hätten einen guten Teil ihrer Arbeitszeit in die Entwicklung eines Konzeptes für die Patenschaft gesteckt. »Es geht uns dabei gar nicht um eine karitative Haltung«, sagt der Projekt-Verantwortliche. »Wir wollen nicht für die Leute etwas machen, sondern mit ihnen.« Neben der Mitorganisation der Nikolausfeier seien auch »Außenaktivitäten« wie Kinobesuche geplant. Die Kinder sollten in der Agentur die Möglichkeit haben, sich mit Computern zu beschäftigen oder mit den MitarbeiterInnen Ausflüge zu machen. Vor allem sollte der Alltag beider Seiten verändert werden.

Die DesignerInnen haben Prototypen ihrer Entwürfe zur Verfügung gestellt, die am kommenden Freitag um 17 Uhr im Schauraum der Agentur, Clausewitzstraße 1, versteigert werden. Von dem Erlös soll ein Spenkenkonto zugunsten des Wohnheims eröffnet werden. Corinna Raupach