DIE 5. GEWALT — WEGE DURCH DEN MEDIENDSCHUNGEL Von Ben Vart

Hinter dieser Zeitung steckt immer ein ondulierter Kopf — Petra weiß, was dumme Frauen lieben. Nicht nur der große Beauty-Teil („Schöner durch High-Tech: Körper der Zukunft“), der Mode- Verkäuferinnen, Redaktions-Sekretärinnen und gewerblichen Mitarbeiterinnen von Werbeagenturen weismachen will, daß eine kleine Ausgabe bei der Schönheitsbranche („Kristallpuder läßt ihre Haut leuchten“ — haben die Leute kein elektrisches Licht?) aus Lieschen Müller glatt einen Hollywood-Star machen kann — oder zumindest eine verheiratete Frau im westlichen Wohlstand.

Denn nicht überall können die Frauen einfach nur ganz Frauen sein: „Die Valuta-Mädchen von Moskau“ treibt nur die Sehnsucht, „Sehnsucht nach einem West-Mann.“ Doch was, wenn die Investition in eine „rückenfreie Weste mit Straßrevers“ oder ein paar „Haarteile aus 100 Prozent Kunstfaser“ zwar nicht für einen Film-, Model- oder Heirats-Vertrag reicht, aber immerhin für Nachfrage auf dem Fleischmarkt einer im Gewerbegebiet liegenden Großdisko sorgen? Dann muß das Mädel endlich wissen, wie's bei den Kerlen immer läuft: „Neu entdeckt: Die Wahrheit über den Trieb des Mannes“. Nach dieser bestimmt verkaufssteigernden Titelankündigung kommt zwar im Heftinneren die Ernüchterung, denn „neue wissenschaftliche Studien beweisen alte Vorurteile“, also nix neue Wahrheiten, aber dafür gibt's schöne Fallbeispiele aus der Tierwelt: So forschte der Hamburger Erbbiologe Prof. Kussmann (sic) hinreichend „mit Hengstfohlen, die erst kastriert wurden, als ihr Sexzentrum schon fertig ausgeprägt war. Später führte er sie mit den Stuten zusammen. Das männliche Verhaltensmuster war unzerstört. Die Tiere versuchten aufzureiten, obwohl sie keine Hoden mehr hatten.“ Es ist schier unglaublich: Der Verfall der Werte — die katholische Terminator-Fraktion um Bischof Dyba kann es kaum noch aufhalten — geht weiter. Jetzt treiben es schon Tiere ohne Fortpflanzungswillen.

Auch in einem anderen Bereich machen die teuflischen Rösser der Kirche Konkurrenz, und es ist das Verdienst des Blattes von Herausgeber Schmidt-Holtz, zusätzlich noch Chefredakteur des Stern und also immer noch nicht in den Gruner+Jahr-Vorstand weggelobt, daß wir neue „Hanni und Nanni“-Geschichten zu lesen bekommen.

Denn anstatt pünktlich den Kindergottesdienst und den Konfirmanden-Unterricht zu besuchen und „Gott“ gefällig und gefälligst aufzuspüren, treiben sich „Mädchen zwischen zehn und 15 Jahren, die an nichts anderes denken und von nichts anderem sprechen“ als von Fury und seinen Freunden, auf „Reiterhöfen und in den Reitställen“ herum. Denn, seien wir ehrlich, stimmt es nicht, daß „Frauen und Pferde — Eine Liebesgeschichte ganz eigener Art“ bilden?

Die Hamburger Illustrierte nennt, rücksichtslos und nur der Wahrheit verpflichtet, Namen: „,Dieses unglaublich weiche Maul, dieser Geruch, dieser Gang.‘ Gabriella Boiselle schmust mit ihrem Trakehner Fritz.“ Und leise, als die 'Stern‘-Reporterin sich schon abgewendet hat und ihre Fotografin alles eingepackt, da flüstert Gabriella, nur der taz- Schreiber hat's gehört, ihrem Fritz, zart die Gamaschen des edlen Tieres streichelnd, ins gespitzte Ohr: „Mach mir den Hengst.“

Steinbach: Und das, wo beim Stern doch überwiegend Wallache arbeiten.