piwik no script img

Bayern gewohnt verzweifelt

■ Glücklicher 2:1-Sieg von Hansa Rostock gegen Bayern München

Berlin (taz/dpa) — Lange Zeit schien es so, als sei Hansa Rostock genau der richtige Aufbaugegner für den schwer angeschlagenen FC Bayern. Ohne den wegen öffentlichen Herummäkelns an Trainer Sören Lerby gemaßregelten Stefan Effenberg konnten die Münchner, relativ ungestört von den Ostseestädtern, ein gefälliges Angriffsspiel aufbauen, hatten eine Fülle guter Torchancen und erzielten in der 63. Minute durch einen wuchtigen Kopfstoß von Alois Reinhardt die verdiente 1:0-Führung. Alles schien gelaufen, Hansa-Präsident Gerd Kische füllte, unbestätigten Gerüchten zufolge, in der Kabine schon die Entlassungspapiere für Coach Uwe Reinders aus, die Bayern-Spieler lehnten sich bequem zurück, und auf der Bayern-Bank gab es zum erstenmal seit Monaten freundliche Gesichter.

Aber da erinnerte sich Michael Spies daran, daß er ja neuerdings der Torjäger der Rostocker ist. Innerhalb von vier Minuten (73./76.) schoß er zwei Tore gegen die unaufmerksamen Bayern, rettete damit seinen Trainer und stürzte den der Bayern in ein tiefes Loch der Verzweiflung. „Eingeschlafen“ sei sein Team nach dem Führungstreffer, analysierte der 33jährige Lerby, dessen Miene nach dem vergeblichen Anrennen seines Teams in der letzten Viertelstunde wieder das gewohnte verzweifelte Aussehen angenommen hatte. „Wer einmal in seinen Problemen sitzt wie wir, kommt schwer wieder raus.“

Äußerst ungehalten war Präsident Scherer, als er auf die Abwesenheit seines Vize-Kaisers angesprochen wurde, der zur WM-Auslosung nach New York gereist war. „Auch mit Franz auf der Tribüne hätten wir nicht gewonnen“, grantelte er. Fragt sich bloß, warum er Beckenbauer geholt hat, wenn nicht, um durch seine bloße Anwesenheit das ein oder andere kleine Wunder zu bewirken.

Grimmig auch Manager Uli Hoeneß, der Absteiger der Saison. „Das war Bayerns bestes Spiel unter Lerby“, nahm er den heftig kritisierten Übungsleiter der Münchner in Schutz und fügte säuerlich hinzu, daß er nicht glaube, „daß von dieser Niederlage etwas abhängt“. Gemeint war die Zukunft des Sören Lerby, die diesem selbst höchst schleierhaft erscheint. Er wisse nicht, ob er nach der Winterpause noch Trainer in München sein werde, meinte der Däne, „das liegt nicht in meinem Ermessen“.

Die kalten Hände reiben konnte sich hingegen Uwe Reinders. Der Sieg bewahrte ihn noch einmal vor der Entlassung, und er kann sich vage Hoffnungen machen, wenigstens das Trainingslager der Rostocker in Kalifornien noch miterleben zu dürfen. Matti

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen