Konzeptionslos

■ Kulturdezernent wollte eine Theatersparte streichen

Das Freiburger Theater zählt zu den sparsamen der mittleren deutschen Bühnen, das dennoch immer wieder bedeutsame Schauspiel- und Operninszenierungen auf die Beine stellt. Außerdem leistet es sich ein kleines Ballettensemble, das unter Pavel Mikulastik experimentierendes choreographisches Theater wagt. Da das Theater renoviert und umgebaut werden muß, wofür rund 30 Millionen D-Mark benötigt werden, kam der seit zwei Jahren amtierende Kulturdezernent Thomas Landsberg (SPD) auf die Idee, eine der vier Sparten am Freiburger Haus zu ersatzlos zu streichen: Er wollte Pavel Mikulastik samt seinem kleinen Ensemble, das erst vor einem Jahr in Freiburg seine Arbeit aufgenommen hatte, den Laufpaß geben.

„Wir überlegen uns, in welchem Umfang sich das Theater an den Kosten beteiligen soll und ob nicht der Theateretat reduziert werden muß“, erläutert Landsberg (von 1,6 Millionen D-Mark weniger ging die Rede). Intendant Friedrich Schirmer, der eine so drastische Einsparung ablehnt und im Falle einer Teilschließung des Vierspartenhauses seinen Weggang angedroht hat, betont, daß man zu Konzessionen bereit sei. Mit der vorübergehenden Stillegung des kleinen Kammertheaters könne man sich abfinden, da sich die räumliche Ausstattung durch die Renovierung wesentlich verbessere und man deshalb keine Reduzierung der Produktionen im Schauspielbereich in Kauf nehmen müsse.

Landsbergs Pläne erregten in ihrer Hilf- und Konzeptionslosigkeit allgemein Unmut: Die Spartenstreichung hätte eine verhältnismäßig geringe Ersparnis von jährlich 750.000 D-Mark gebracht, während man gleichzeitig für den Bau eines Kongreßzentrums ungefähr 150 Millionen D-Mark einplant. Eine weitere Ungereimtheit in den Überlegungen des Kulturdezernenten: Das projektierte Kongreßzentrum wird unter anderem damit gerechtfertigt, daß der Neubau nach seiner Fertigstellung zur Entlastung des Theaters beiträgt, weil dort künftig die Konzerte stattfinden, die derzeit noch die große Bühne des Theaters blockieren. Durch das Kongreßzentrum soll sich die räumliche Situation für das Theater entspannen, während der Kulturdezernent gleichzeitig einen der Gründe, warum das Theater mehr Platz braucht, zu eliminieren gedachte — das Tanztheater.

Inzwischen haben verschiedene Fraktionen innerhalb des Freiburger Gemeinderats, darunter auch die CDU, Front gegen Landsbergs Pläne macht. Die Medien wurden aktiv, eine Podiumsdiskussion brachte die Kontrahenten an einen Tisch. Erstes Ergebnis: Landsberg hat seinen Plan, das Tanztheater zu schließen, zurückgezogen. Intendant Schirmer hat einer vorläufigen Einsparung von 500.000 D-Mark zugestimmt. Die Podiumsdiskussion institutionalisiert sich und wird zum Thema Elend der Kulturbürokratie am 15. Dezember unter anderem mit Jürgen Kolbe fortgesetzt. Jürgen Berger