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Ausgangssperre zum Intifada-Tag

■ Zum Jahrestag der Intifada gibt Schamir Ost-Jerusalem für jüdische Siedler frei

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Heute begehen die Palästinenser in den israelisch besetzten Gebieten den vierten Jahrestag der Intifada. Alle Organisationen in der Westbank und im Gaza-Streifen haben sich dem gestrigen Streikaufruf der Vereinigten Nationalen Führung des Aufstandes (UNL) angeschlossen, auch Hamas und die „linken Befreiungsfronten“. Die israelischen Militärbehörden haben in weiten Teilen der sogenannten „Gebiete“ Ausgangssperren verhängt, in manchen Städten bereits vor mehreren Tagen. Das Zentrum der Stadt Gaza wurde zur geschlossenen Militärzone erklärt. Die Polizei und andere „Sicherheitskräfte“ sind in Alarmbereitschaft versetzt worden. Der ohnehin seit Monaten beschränkte Zugang nach Ost-Jerusalem für die Palästinenser aus allen übrigen Teilen der besetzten Gebiete wurde ganz untersagt.

Feisal Husseini, der nicht zu den Nahostverhandlungen in die USA gereist ist, sondern das Jerusalemer Exekutivbüro der palästinensischen Delegation leitet, erklärte gestern, daß die Intifada entscheidend dazu beigetragen habe, daß die Palästinenser sich für eine Teilnahme an den Nahostgesprächen entschieden hätten. Die Intifada sei kein „Befreiungskampf in dem Sinne, daß sie Schlachten um jedes Stückchen Boden führe“. Es handele sich vielmehr um eine politische Bewegung, mit der sich die Palästinenser an die israelische und die internationale Öffentlichkeit gewandt hätten, um ihre politischen Rechte zu realisieren.

Die israelische Regierung begeht den Jahrestag der Intifada auf ihre Weise: Vorgestern beschloß sie, daß israelische Siedler sich jetzt auch in dem Ost-Jerjusalemer Stadtviertel Silwan, südöstlich der Altstadt, niederlassen dürfen — mit „ordentlichen“ Miet- oder Kaufverträgen. Die Polizei soll die Sicherheit der Siedler garantieren. Darum wurde auch die besonders gefürchtete „Grenzpolizei“, die die arabischen Bewohner Ost-Jerusalems ohnehin täglich drangsaliert, gestern weiter verstärkt.

Ein Sprecher der Siedler in Silwan, das sie unterdessen in „Schiloah“ oder „Davidstadt“ umbenannt haben, kündigte an, daß demnächst dreißig Familien in arabische Häuser einziehen würden und daß Verhandlungen im Gange seien, weitere Gebäude zu erwerben. Langfristig, so der Siedlersprecher, solle in Silwan eine neue „jüdische Siedlungseinheit“ entstehen, die den jüdisch besiedelten Teil der Altstadt mit den großen jüdischen Siedlungen auf dem Wege nach Bethlehem verbinden soll.

Israelische Oppositionsparteien haben den Beschluß der Regierung über die Zulassung von Siedlern in Silwan eine „Provokation und einen Angriff auf Frieden und Koexistenz“ genannt, zumal er auch noch am Vorabend des Jahrestages der Intifada gefällt worden sei. Kritisch äußerte sich auch der Jerusalemer Bürgermeister Teddy Kollek. Die Bewohner von Silwan gehen davon aus, daß Israel damit den ersten großen Schritt unternommen hat, diese „palästinensische Enklave in „Großjerusalem zu beseitigen“. Rechtsextreme Gruppen hingegen, allen voran die Organisation der Siedler, haben die Entscheidung natürlich wärmstens begrüßt. Michael Eitan, Knessetabgeordneter und Mitglied des Likud, der sich heftig für die „Besiedlung“ von Silwan eingesetzt hatte, erklärte: „Wenn die Regierung anders entschieden hätte, wäre das als Sieg des arabischen Terrors zu werten gewesen und hätte Israels Recht auf Souveränität in Jerusalem untergraben.“

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