Yünnan hofft auf Wirtschaftsboom

■ Nach dem Kambodscha-Friedensabkommen macht sich im Südwesten Chinas Optimismus breit

Kunming (ips) — Geradezu sprunghaft verbessern sich derzeit die Beziehungen zwischen China und seinen Nachbarstaaten Myanmar, Laos und Vietnam. Vor allem die südwestliche Provinz Yünnan will von der neuen Entspannung profitieren. Die Öffnung der Grenzen und ein verstärkter Handelsaustausch werden dem entlegenen Berggebiet zu einem Wirtschaftsboom verhelfen, hoffen die Behörden.

Die Provinz Yünnan gehört zu jenen Regionen Chinas, in denen Peking die Zügel der staatlichen Wirtschaftskontrolle besonders locker läßt. Vor allem in der Provinzhauptstadt Kunming sind die Zeichen der „Politik der offenen Tür“ kaum zu übersehen. Die Hauptstraßen quellen über vor privaten Geschäften, die einen schwunghaften Handel mit Konsumgütern treiben. An erster Stelle stehen dabei Kleidung und elektrische Haushaltsgeräte.

Der relative Wohlstand der 35 Millionen Einwohner ist allerdings eine neue Erscheinung. Die schroffe Bergwelt und die Malariagefahr in den Tälern sorgten durch Jahrhunderte dafür, daß sich Peking mit einer bloß nominellen Oberherrschaft begnügte und allenfalls Steuern von der von Subsistenzwirtschaft lebenden ursprünglichen Bevölkerung erhob. Erst im 20. Jahrhundert wurden die 24 heute als Nationalitäten anerkannten Volksgruppen der Region militärisch unterworfen und durch Kolonisierungswellen der Han-Chinesen aus dem Nordosten zu Minderheiten gemacht.

Die Eile, mit der Peking nun die Modernisierung Yünnans vorantreibt, entspricht einer allgemeinen Politik gegenüber Gebieten mit starken nationalen Minderheiten. Auch mit Geldzuweisungen aus der Zentrale soll die Unzufriedenheit der lokalen Bevölkerungsgruppen gedämpft werden, ob in Tibet, in der Inneren Mongolei oder in Sinkiang an der sowjetischen Grenze.

Wie die Behörden in Yünnan allerdings zugeben, hat der zuletzt eingeschlagene Austeritätskurs der staatlichen Wirtschaftslenker in Peking auch hier zu einem Rückgang der Nachfrage geführt. Die Lager schwellen an, neue Märkte werden dringend benötigt — der suchende Blick richtet sich dabei über die Grenzen, in die Nachbarländer Myanmar, Laos und Vietnam, die mit ihrem Mangel an Konsumgütern geradezu wie geschaffen scheinen, die Überschüsse aufzunehmen.

In nur drei Jahren, schätzt der Wirtschaftsprofessor Zhu Yinggen von der Universität Yünnan, könnte der Handel mit den Nachbarn das Prokopfeinkommen in der Region von derzeit 90 US-Dollar jährlich verdoppeln. Dabei würde der Anteil des Außenhandels am gesamten Wirtschaftsprodukt von derzeit vier auf 15 Prozent anwachsen. Die Voraussetzungen dafür scheinen günstig. Das politische Klima zwischen China und seinen südwestlichen Nachbarstaaten hat sich in den letzten Jahren und Monaten spürbar verbessert. Noch bis vor drei Jahren waren die Grenzen zu Vietnam und Laos überhaupt versiegelt. Gegenüber Myanmar erwies sich der Vorhang zwar als durchlässiger, doch offiziell war Handel untersagt — wer Waren über die Grenze oder zurück schaffte, galt als Schmuggler.

Schon 1988 unterzeichneten das damalige Birma und China ein Grenzabkommen, etwa zur gleichen Zeit setzte ein zwar inoffizieller, aber wachsender grenzüberschreitender Handel mit Vietnam ein. Nun steht auch ein Grenzabkommen zwischen Peking und Vientiane bevor, das einem fast 13 Jahre dauernden Kalten Krieg zwischen den beiden Ländern ein Ende setzt. Laos hatte sich Ende 1978 im Konflikt um Kambodscha auf die Seite Vietnams gestellt, das seine Truppen in Pnom Penh einmarschieren ließ und die von China unterstützten Roten Khmer von der Macht vertrieb. Nach dem jüngsten Friedensabkommen für Kambodscha könnte der wichtigste Hemmschuh für eine Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beseitigt sein.

In Kunming setzt man vorerst auf Barter-Geschäfte im grenznahen Raum und will danach das Hinterland durch größere Projekte erschließen. Bereits jetzt haben die Behörden in den angrenzenden Provinzen Vietnams und Birmas China eingeladen, auf ihrem Gebiet zu investieren — ein bisher unerhörter Vorschlag. Eine Delegation vietnamesischer Provinzbehörden hielt sich Ende Oktober eine Woche lang in Yünnan auf, um Fragen des Grenzhandels und der Grenzkontrollen zu klären. Arbeiten zur Wiederinstandsetzung der Verkehrswege haben bereits begonnen, darunter die noch von den Franzosen gebaute Eisenbahnlinie.

Allein mit der vorhandenen Infrastruktur wird der erwartete Zuwachs des Handels aber nicht zu bewältigen sein. Bereits gestartet wurde das ehrgeizige Vorhaben, den Mekong schiffbar zu machen und zu einem internationalen Handelsweg zwischen Yünnan und Indochina auszubauen. Der wichtigste Fluß der Region schlängelt sich durch Yünnan, Laos und Kambodscha entlang der thailändischen Grenze bis zur Mündung in Südvietnam. Über diese Route könnte die Transportzeit für Waren nach Thailand von sechs Wochen auf wenige Tage verringert werden. Derzeit läuft der Handel über einen gewaltigen Umweg per Schiene über den Hongkonger Hafen. Als Hemmnis für den Grenzhandel könnte sich jedoch die Devisenknappheit der Nachbarländer erweisen, sagen Wirtschaftsexperten. Zumindest Myanmar, Vietnam und Laos sind kaum in der Lage, mit harter Währung für chinesische Konsumgüter zu zahlen. Yojana Sharma