Viel Lehrgeld für Phantasiediplome

■ Zweifelhafte Geschäftemacher werben in den fünf neuen Ländern für »Detektiv«-Nachwuchs/ Nach solchen Ausbildungsgängen gibt es meistens keine Anstellung bei den »seriösen« Detekteien

Berlin. »Aus aktuellem Anlaß warnt der Bundesverband Deutscher Detektive (BDD), größte Detektivvereinigung auf dem europäischen Kontinent mit 40jähriger Tradition, vor jetzt in den neuen Bundesländern laufend angebotenen dubiosen und untauglichen Feierabend- und Wochenendseminaren zur Detektivausbildung.«

Garniert mit reichlich Eigenwerbung, hatte sich die berufsständige Organisation für Detektiv- und Auskunfteien bereits vor einem Jahr erstmalig an die Öffentlichkeit gewandt. Man wollte ganz eigennützig Licht in die Praktiken manch zweifelhafter Konkurrenten bringen. Doch viel hat sich seit der Pressemitteilung des BDD nicht verändert. Noch immer versuchen clevere Geschäftsleute vor allem ahnungslose Berufsanfänger aus den neuen Bundesländern mit der Aussicht auf zweifelhafte Detektivzertifikate und Phantasiediplome in teure Ausbildungslehrgänge zu locken.

Andere wiederum versuchen die Neudetektive, die oft vor der Wende als Dilpom-Kriminalisten und -Juristen in der DDR tätig waren, als billige Arbeitskräfte in eigene Firmen einzubinden. So knöpft eine Zehlendorfer Detektei jedem ihrer Praktikanten jährlich bis zu 6.000 DM Lehrgeld ab. Ob die damit allerdings das große Ausbildungslos gezogen haben, darf bezweifelt werden. Denn der Firmenchef hat ganz offensichtlich selbst noch einige Probleme im Umgang mit bundesdeutschem Recht. »Der hat Daten aus dem Polizeicomputer rausgezockt und ist dabei erwischt worden«, kommentiert ein Berufskollege lapidar. Schnüfflerrisiko? Fakt bleibt, daß das Wirtschaftsamt ein Gewerbeuntersagungsverfahren gegen den Privatermittler anstrengte, so daß dieser das Geschäft unter dem Namen seiner Ehefrau weiterführt.

Dem Einfallsreichtum beim Ködern von Berufsinteressenten sind kaum Grenzen gesetzt. Horst Gandt, einst selbst Mitglied im BDD, hat gleich eine komplette Infrastruktur in Sachen Para-Polizei um sich geschart. Über eine einzige Telefonnummer können Interessenten — natürlich nur per Anrufbeantworter — in Kontakt mit vier verschiedenen Institutionen treten. Neben der bewaffneten Personenschutzgruppe »Argus-Schützen«, dem »Detektivinstitut Argus«, sind auch der jüngst gegründete »Detektiv-Verband Berlin- Brandenburg« und das »Kriminalistische Ausbildungs-Zentrum« (K.A.Z.) zu erreichen. Das K.A.Z. wendet sich dabei ausdrücklich an »ehemalige Diplom-Kriminalisten und -Juristen« und bietet für zirka 1.000 Mark eine Detektiv-Schnellausbildung an fünf Wochenenden an. Als Belohnung winken ein in der Branche oft belächelter Dienstausweis, ein Zeugnis und eine Urkunde. Das K.A.Z. wird dabei ausgerechnet von Gandts eigenem Detektiv-Verband Berlin-Brandenburg empfohlen, dessen Namensähnlichkeit im Kürzel (DBB) zum renommierten BDD sicher kein Zufall ist.

Wie sein Zehlendorfer Kollege hat auch Gandt Flecken auf seiner Weste. So sorgte der ehemalige Musiklehrer aus Neukölln im November 1984 für Schmuddel-Schlagzeilen in der Springer-Presse, weil er »auf der Orgelbank an Schülerinnen rumgefummelt« hatte. Eine Strafkammer in Moabit verurteilte Gandt wegen sexueller Belästigung von fünf Minderjährigen zu 18 Monaten Haft.

BDD-Pressesprecher Lothar Wenzel spricht im Zusammenhang mit den dubiosen Geschäftspraktiken von »an Betrug grenzender Bauernfängerei« und weiß gar von Fällen zu berichten, in denen bis zu 5.000 Mark für eine »Ausbildung« an nur vier Wochenenden gezahlt wurden. Eine Anstellung bei etablierten Detekteien finden die Absolventen mit diesen »völlig wertlosen Diplomen« nur in den seltensten Fällen. Kein Wunder, daß man beim BDD über die Negativwerbung höchst unerfreut ist. Immerhin bemüht sich der Dachverband, dem etwa 25 Prozent aller gewerblich gemeldeten Privatermittler und Auskunfteien angeschlossen sind, seit Jahren um gesetzliche Regelungen bei der Berufszulassung und -ausübung. Fachkundenachweise und Zuverlässigkeitsprüfungen der Detektive sind beim BDD schon heute Aufnahmevoraussetzungen. Besondere Probleme werfen die neuen Kollegen aus dem Osten auf, die durch ihre polizeiliche und juristische Vergangenheit in der DDR oft natürlich auch Stasi-Ballast mit sich rumschleppen.

Seit der Maueröffnung sind allein beim Berliner Landesgruppenvorsitzenden des BDD, Wolfgang M. Bahr, 100 Berufsinteressierte aus den neuen Ländern vorstellig geworden, so daß der BDD mittlerweile die Ausdehnung gen Osten anstrebt. Etwa 15 Ostdetekteien bemühen sich momentan um die Aufnahme in den Verband. Schon heute kooperiert der BDD mit der Auskunftsagentur Behm, deren Inhaber einst beim MfS als Sachverständiger in der »Kriminaltechnik« tätig war. Auch der Sohn des letzten Volkskammerpräsidenten, Thomas Sindermann, ist Anwärter für den BDD. Der Ex-Chef der Ostberliner Mordkommission leitet heute die Detektei Die 3 in Karow.

Bahr, der zugleich die Schöneberger Detektei Schimmelpfennig leitet, will jedenfalls nicht grundsätzlich alle Ostler verurteilt wissen. »Wer natürlich eine Leiche im Keller liegen hat, der hat auch bei uns nichts zu suchen.« Andreas Kaiser