Zurück in Südafrikas ungewisse Zukunft

Gestern landete der erste UNO-organisierte Rückflug südafrikanischer Flüchtlinge in Johannesburg/ Die Tausende erwarteter Heimkehrer kehren zum selben Regime zurück, vor dem sie einst geflohen waren/ ANC und Kirchen organisieren Reintegration  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Ein Charterflug des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) hat gestern eine erste Gruppe von 120 südafrikanischen Flüchtlingen aus Tansania nach Johannesburg gebracht. Damit kommt nach monatelangen zähen Verhandlungen ein Prozeß ins Rollen, der gegen den anfänglichen Widerstand der südafrikanischen Regierung etwa 30.000 politische Flüchtlinge aus aller Welt in ihr Heimatland zurückbringen soll.

Für das UNHCR ist das zwar keine sehr große, dafür aber eine politisch besonders pikante Aktion. „Die Situation hier ist ziemlich einmalig“, meint Kallu Kalumiya, der UNHCR-Beauftragte in Südafrika. „Statt wie in anderen Repatriierungsaktionen auf die Vollendung einer politischen Entwicklung zu warten, gilt Repatriierung hier als eine Stärkung für den noch laufenden Prozeß der Veränderung.“ Das bedeutet aber auch, daß die Rückkehrer es nicht mit einer neuen, ihnen wohlgesonnenen Regierung zu tun haben — sondern mit demselben Regime, vor dem sie geflüchtet sind.

Anfangs hat das zu Befürchtungen geführt, daß Rückkehrer von der Polizei belästigt werden könnten. Nach früheren, ANC-organisierten Rückkehraktionen hat es einzelne Attentate gegeben, vor allem gegen Leute, die sich in der Vergangenheit an bewaffneten Aktionen beteiligt hatten. „Die Situation hat sich normalisiert“, meint allerdings Jackie Selibi, Repatriierungsbeauftragter beim Afrikanischen Nationalkongreß (ANC). „Aber natürlich hoffen wir auch, daß die Beteiligung des UNHCR unsere Leute vor Belästigungen schützen wird.“

Südafrikas Regierung hätte das UNHCR allerdings am liebsten gar nicht ins Land gelassen. Denn Südafrikas Apartheidherrscher haben die UNO immer als einen ihrer Erzfeinde eingestuft. „Sie befürchteten, daß wir wie ein Trojanisches Pferd für andere UNO-Abteilungen hierher kommen würden“, erklärt Kalumiya. „Dabei hat es bis heute noch keine Normalisierung der Beziehungen zwischen der UNO und der südafrikanischen Regierung gegeben.“

Schon im März 1990, kurz nach der Legalisierung des ANC und anderer Organisation und nach der Freilassung von Nelson Mandela, nahm das UNHCR erstmals Kontakt mit der Regierung in Pretoria auf. Es dauerte ein Jahr, bis die Regierung sich bereiterklärte, das UNHCR in Südafrika zuzulassen. Und erst im Oktober waren die notwendigen Abkommen unterzeichnet, konnte das UNHCR ein Büro in Johannesburg öffnen. In drei anderen Städten werden zur Zeit Zweigniederlassungen eingerichtet.

Die erste Rückkehrergruppe besteht zum größten Teil aus Schülern in Tansania, deren Schulen zum Jahresende geschlossen werden. Eigentlich war für sie schon eine ehemals für Weiße reservierte Schule in Pretoria bereitgestellt worden. Aber die Schule wurde in einem von weißen Rechtsextremisten verübten Bombenanschlag Mitte des Jahres weitgehend zerstört.

Der Umgang mit den Schülern ist vergleichsweise einfach. Sie werden vorerst in Hotels untergebracht und sollen im neuen Jahr in verschiedene Schulen eingeschult werden. Aber für die Mehrheit der Rückkehrer, meint das UNHCR, wird die Reintegrierung in die südafrikanische Gesellschaft sehr schwierig sein. Die Südafrikaner kehren nicht, wie Flüchtlinge in anderen Ländern, überwiegend auf das Land zurück. „Sonst geben wir den Leuten etwas Saatgut und landwirtschaftliche Geräte und erwarten, daß sie sich selbst ernähren“, sagt Kalumiya. Doch Südafrika ist eine verstädterte Gesellschaft. Von den etwa 6.000 Exilanten, die seit Anfang 1990 auf eigene Faust oder mit Hilfe des ANC zurückgekehrt sind, haben sich mehr als 90 Prozent in Städten angesiedelt.

Unklar bleibt somit, wie die Reintegration in der Praxis funktionieren soll. Der ANC und kirchliche Organisationen planen die Einrichtung von Kooperativen und kleinen Fabriken, die den Rückkehrern Beschäftigungsmöglichkeiten bieten sollen, weisen aber auch auf die Notwendigkeit psychologischer Betreuung hin. Denn die Rückkehrer kommen mit sehr hohen Erwartungen an ihre Heimat, die schwer zu erfüllen sein werden. „Wenn die Leute sich nicht willkommen fühlen, wenn ihnen nicht geholfen wird, dann könnte das zu Widerstand führen“, warnt Selibi.

„Normalerweise wäre es die Sache der Regierung, uns zu helfen“, sagt auch die ANC-Wohlfahrtsleiterin Winnie Mandela. „Wir haben nicht die Mittel, diesen Prozeß selbst durchzuführen.“ Die Regierung weigert sich aber, für Rückkehrer irgendwelche Sonderregelungen zu treffen. Und weil das UNHCR als einzige UNO-Abteilung in Südafrika zugelassen ist, kann die Betreuung der Leute nicht, wie gewohnt, an andere, in den notwendigen Bereichen kompetente UNO-Abteilungen weitergegeben werden.

Aber das wird sich vermutlich bald ändern. „Natürlich beobachtet die UNO Entwicklungen hier mit großem Interesse“, räumt Kalumiya vorsichtig ein. „Wenn die internationale Gemeinschaft zu dem Schluß kommt, daß die Veränderungen hier nicht mehr umkehrbar sind, dann kann eine Normalisierung der Beziehungen stattfinden.“

Selibi ist da weniger diplomatisch. Der am 20. Dezember beginnende Verhandlungsprozeß über eine neue Verfassung, sagt der ANC- Vertreter, würde zügig zu einer Interimsregierung führen, an der auch der ANC beteiligt ist. „Dann wird es keinen Grund mehr geben, als einzige UNO-Abteilung in Südafrika das UNHCR zuzulassen. Denn Südafrika braucht die UNO.“