Neu im Filmstudio „Urga“ von N. Michalkow

Einen Monumentalfilm in Cinemascope und Stereo drehen zu wollen, mit einem nur fünfseitigen Skript, neun Wochen Drehzeit und russischen, mongolischen sowie französischen MitarbeiterInnen - unmöglich. Der russische Regisseur Nikita Michalkow hat es mit seinem französischen Produzenten Michel Seydoux (Cyrano de Bergerac) trotzdem fertiggebracht: Urga, ausgezeichnet mit dem „Goldenen Löwen“ der Filmfestspiele in Venedig 1991. Herausgekommen sind zwei der schönsten Kinostunden der letzten Jahre.

Michalkows erste Kinoarbeit seit vielen Jahren (“Ich mache lieber positive Filme als negative, aber das schien in der UdSSR lange nicht möglich“) ist gelungen, 120 Minuten Film mit Leben zu füllen. Ein Reiter jagt mit seinem Pferd über die geschwungenen Hügel der inner-mongolischen Steppe. Er verfolgt eine Frau, stellt und überwältigt sie. Die subjektive Kamera, die kurz zuvor ebenso das gelb-grüne Steppengras überflog, scheint sich in den ungleichen Kampf einmischen zu wollen. Dann ein Schnitt, und das filmische Auge wandert ruhig über die Weiten des Nord-Osten Chinas. So beginnt Urga, und damit sind beinahe schon alle HauptdarstellerInnen genannt. Denn Tiere und die einzigartige Landschaft spielen in der Geschichte des Viehhüters Gombo (Badema) und seiner Frau Pagma (Bayertu) eine ebenso wichtige Rolle wie Menschen.

Das Leben der beiden Nomaden mit ihrer Babuschka und den drei Kindern kreist immer um ihr Rundzelt, die Jurte. Dieser Lebensmittelpunkt ist der Ausgang aller Aktivitäten, und dort enden diese auch bald wieder. Hier versammeln sich die sechs Menschen wie in einem Nest, hier finden sie Schutz in der scheinbar grenzenlosen Einsamkeit. Doch eines Tages taucht Sergeij (Wladimir Gostjukin) auf, ein russischer Gastarbeiter, der in der VR China Straßen baut. Die Begegnung der verschiedenen Kulturen, hier das traditionelle Leben der mongolischen Nomaden und dort die vermeintliche Zivilisation der modernen Welt, prägen den weiteren Verlauf des Films. Der Russe, von Gostjukin brillant dargestellt, bringt mit seiner Unbeschwertheit Abwechslung in das Leben der Familie. Aber er lernt auch dazu, und mit ihm das Kinopublikum.

In einer liebevollen, beinahe naiven Weise gelingt es Regisseur Michalkow, den Konflikt von Tradition und Moderne in berauschende Bilder umzusetzen. Daß Urga dabei manchmal zu sehr mit dem Zaunpfahl winkt, wenn etwa Gombo in der fernen Stadt in einem Karussel ohnmächtig wird oder sich nicht traut, Kondome zu kaufen, schadet dem Film nicht. Er ist ein Kunstwerk. J.F.Sebastian