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Nicht am Geld scheitern

■ Gerd Leo Kuck wird Interimsintendant am Zürcher Schauspielhaus

Gerd Leo Kuck mag Mischformen. Als hätte er's geahnt, nannte er die Silvesterrevue, die er am Zürcher Schauspielhaus 1989 inszenierte: Wenn sich die Lage bessert, wird alles gut. Nachdem der pensionierte Routinier Hans Peter Doll an gar zu vielen Orten beschäftigt zu sein schien, entschied sich der Verwaltungsrat der Pfauenbühne jetzt für einen Newcomer auf dem Intendantensessel.

Der frisch gewählte Interimsintendant kennt das Metier von der Pike auf: Gerd Leo Kuck ist seit 1988 Jürgen Bosses Vize am Staatstheater Stuttgart, wohin ihn Ivan Nagel zwei Jahre zuvor als Dramaturg engagiert hatte. Angefangen hat der gebürtige Wuppertaler 1963 am Staatstheater Karlsruhe als Regieassistent. Damals war er achtzehn, drei Jahre später ging er nach Ulm, wurde 1969 wegen „Unbotmäßigkeit“ entlassen. Das Frankfurter Theater am Turm, das Staatstheater Stuttgart (unter Peter Palitzsch), das Staatstheater Kassel folgten; zumeist arbeitete Kuck als Dramaturg und Regisseur, 1975 ging er für elf Jahre an die Wiener Burg, wo Benning Intendant war. Wenn er jetzt in Zürich dessen Nachfolger wird, mutet das schon wie eine Seilschaft zwischen den beiden Bühnen an. Vor Benning war Klingenberg von der Donau an die Limmat gewechselt.

Auf seiner ersten Zürcher Pressekonferenz gab sich Kuck optimistisch. Das Budget betrage rund 28 Millionen Franken; sein Vertrag beinhalte, daß dieser Betrag nicht gekürzt werden darf und der Inflationsrate angepaßt wird. Etwa 10 Millionen Franken stehen pro Spielzeit für künstlerische Belange zur Verfügung, in Stuttgart seien es dagegen nur 7,6 Millionen Mark. Insofern sei in Zürich „durchaus eine Basis für qualitätsvolles Theater vorhanden“.

Bestritten werden sollen davon zehn Inszenierungen im großen Haus und bis zu vier Produktionen im Schauspielkeller. Der Besucherrückgang in der laufenden Spielzeit muß aufgefangen werden, um das Einspielsoll von acht Millionen — das sind knapp 30 Prozent — zu erreichen. Durch Umstrukturierung des Ensembles ließen sich die vorhandenen Mittel optimal nutzen. Dabei werden Kündigungen und Pensionierungen kein Tabu sein, um die unausgewogene Altersstruktur zu verändern und Platz zu schaffen für junge Schauspieler. Neben dem Aufbau eines Ensembles werden bekannte Gäste, die unter Benning schon in Zürich gespielt haben, Martin Benrath oder Ernst Jacobi etwa, ans Haus gebunden werden. Auch Benning selbst soll mit einer oder zwei Inszenierungen weiter in Zürich tätig sein.

Kucks Vorstellungen vom kommenden Spielplan sind verständlicherweise noch etwas vage. Die Zusammenarbeit mit Thomas Hürlimann würde er gerne fortführen, die bisherige Bevorzugung der Jahrhundertwende solle einer ausgeglichenen Mischung aus Klassikern und modernen Autoren — Kucks zweiter Vorliebe — weichen.

Ob der sehr verbindlich wirkende Kuck, der im übrigen nicht selbst am Regiepult stehen wird, das Haus aus seiner Misere führen kann, an der sich schon mancher die Zähne ausgebissen hat, wird man abwarten müssen. Der erste Kündigungstermin ist bereits verstrichen, die gegenwärtige Misere für eine weitere Spielzeit zementiert. Der Verwaltungsrat sucht derweil schon nach einem Nachfolger. Gerd Leo Kucks Vertrag läuft 1995 aus. Gerhard Mack

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