DOKUMENTATION
: Amerikanisch-russische Gemeinschaft

■ Ein Vorschlag aus den USA zum militärischen Zusammenwachsen beider Atommächte

Um mit dem Aufbau eines dauerhaften Friedens zu beginnen, sollte Washington gemeinsam mit Moskau eine „Amerikanisch- Russische Verteidigungsgemeinschaft“ aufbauen. Als Modell dafür könnten die seit den 50er Jahren in Westeuropa gebildeten Wirtschaftsgemeinschaften dienen, die die deutsch-französische Aussöhnung unumkehrbar machten.

Die Beziehungen zwischen dem Militär von USA und Sowjetunion haben sich zu einem unüblichen Maße erwärmt. Eine US-Initiative im militärischen Bereich könnte mehr bewirken als eine im wirtschaftlichen Bereich, da der Zustand beider Seiten einen zweiten Marshall-Plan ausschließt.

Die Verteidigungsgemeinschaft hätte mindestens vier Aufgaben. Sie müßte die Konfrontation zwischen Atomstreitmächten beenden — insbesondere ihre ständige Alarmbereitschaft. Sie müßte die zwischen beiden Seiten herrschende Geheimniskrämerei überwinden. Sie müßte wirksame Schritte gegen die nukleare Proliferation unternehmen, ohne die Souveränität von Nationen mit legitimen Nuklearprogrammen in den Staub zu treten. Und durch gemeinsame Programme in den ehemaligen Sowjetrepubliken müßte sie im dortigen Militär das Prinzip der zivilen Kontrolle verankern.

Die Verteidigungsgemeinschaft sollte zwar das Rüstungskontrollmodell des Kalten Krieges aufgeben, sich jedoch nicht auf die Stabilisierung des militärischen Gleichgewichts und die Abrüstung beschränken. Die Amerikanisch-Russische Verteidigungsgemeinschaft wäre in der Lage, die nukleare Konfrontation zu beenden. Das Ergebnis wären umstrukturierte, koexistierende Atomstreitmächte, ähnlich den britischen und französischen, die sich nicht um die Stabilität einer gegenseitigen Abschreckung bemühen müssen.

Ohne ein solches Zusammenwachsen könnten zumindest in Rußland politische Kräfte eine neue Konfrontation mit Amerika herbeiführen. Als Ergebnis der Versuche beider, sich gegen andere Länder wie Irak, Iran und vielleicht China zu verteidigen, könnte es dann zu einem neuen Rüstungswettlauf kommen. Eine Entscheidung der USA, sich gegen ein faschistisch-imperialistisches Rußland wiederzubewaffnen, würde zu öffentlichem Unmut führen. Dann würde Amerika zu den Vietnam-Jahren zurückkehren anstatt zur Truman-Zeit des erfolgreichen containment, und das amerikanische Volk und die Alliierten würden fragen, wie der Sieg der Demokratie, der den Kalten Krieg beendete, so leichtfertig verschenkt werden konnte. Fred C. Ikle

Der Autor war US-Unterstaatssekretär für Verteidigung unter Ronald Reagan. Gekürzt aus 'International Herald Tribune‘, 16.12.1991