NRW-Grüne: NS-Verfolgte anerkennen

Gesetzentwurf zur Anerkennung und Versorgung von NS-Verfolgten heute im Landtag/ Überlebenden soll Lebensabend ohne materielle Not gesichert werden/ Alle Verfolgten einbezogen  ■ Von Bettina Markmeyer

Düsseldorf (taz) — Die nordrhein- westfälischen Grünen bringen heute ein Gesetz im Düsseldorfer Landtag ein, das die Anerkennung und Versorgung der in NRW lebenden Verfolgten des Naziregimes sicherstellen soll. Damit streben sie nach dem Vorbild anderer Bundesländer (Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) eine Landesgesetzgebung an, die über die in weiten Teilen skandalöse Entschädigungspraxis nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) und die Zahlungen aus den Härtefonds der Bundesregierung hinausgeht. In einem weiteren Antrag fordern die Grünen die Landesregierung auf, mit einer Bundesratsinitiative unverzüglich die Einrichtung einer Bundesstiftung zur Entschädigung von NS- Verfolgten auf den Weg zu bringen.

Beide Initiativen haben zum Ziel, den Betroffenen und Angehörigen, die ebenfalls unter der Verfolgung gelitten haben, einen Lebensabend in Würde ohne materielle Not zu garantieren. Nach dem grünen Gesetzentwurf soll jede/r Verfolgte eine monatliche Grundrente von 500 Mark bekommen. Weiter soll das Land je nach Einkommen eine Ausgleichsrente zahlen, so daß die Betroffenen mindestens 2.000 Mark monatlich zur Verfügung haben. Das Gesetz sichert ihre gesundheitliche Versorgung und gesteht ihnen weitere soziale Leistungen zu. Die Landesregelungen sollen für alle Opfergruppen gelten, besonders für jene, die das BEG ausgeschlossen hat wie beispielsweise Schwule und Lesben, KommunistInnen, ZwangsarbeiterInnen, Sinti und Roma oder sogenannte „Euthanasie“-Geschädigte.

Damit lehnen sich die NRW-Grünen eng an das 1990 geänderte, in Berlin geltende „Gesetz zur Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch und religiös Verfolgten“ an. Es bereitet jenen Drangsalierungen ein Ende, die die NS-Opfer bitter als „zweite Verfolgung“ angeprangert haben. Nunmehr reicht ein privatärztliches Attest, um sich gesundheitliche Schäden der Verfolgung anerkennen zu lassen. Man muß seinen Wohnsitz in Nordrhein- Westfalen haben, nicht aber Deutsche/r sein, um nach dem Landesgesetz entschädigt werden zu können.

Im April dieses Jahres hatte sich die Kölner Informations- und Beratungsstelle für NS-Verfolgte mit der Bitte um eine Landesgesetzgebung zur Versorgung der NS-Opfer an die Landesregierung gewandt. Innenminister Schnoor reagierte verhalten positiv, lehnte eine Landesstiftung wegen zu hoher Kosten zwar ab, sagte aber zu, sich — per Bundesratsinitiative — für eine Bundesstiftung einzusetzen. Wenn allerdings auf Bundesebene nichts geschehe, so Schnoor damals, „werden wir hier im Land über die bisherige Landesregelung hinaus handeln“. Und: „In diesem Jahr müssen die Dinge auf den Weg gebracht werden.“

Davon war aber bereits im Oktober nicht mehr die Rede, als die Grünen in einer Anfrage wissen wollten, welche Dinge die Landesregierung denn nun auf den Weg gebracht habe. In seiner Antwort sah Schnoor keinen Handlungsbedarf mehr für weitere Landesregelungen, verwies auf die Bundesregelungen, auf die zu erwartenden Kosten, da NRW nicht nur die Verfolgten im Inland, sondern auch im Ausland lebende Verfolgte zu entschädigen habe, und beschied, „daß es im Interesse aller NS- Opfer liegt, den Bund nicht aus seiner Verantwortung zu entlassen“, also die Fraktionen im Bundestag „zu drängen“. Eine, wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, nicht eben erfolgreiche Methode. Auch von einer NRW-Initiative für eine Bundesstiftung war nicht mehr die Rede, würde sie das Land doch etwa 100 Millionen kosten.

Bereits im Sommer hatte Ministerpräsident Rau dem Kölner Büro für NS-Verfolgte mitgeteilt, eine Landesgesetzgebung zur Anerkennung und Versorgung von NS-Opfern werde es nicht geben. Nun dürfte es die SPD schwer haben, gegen die Gesetzesinitiative der Grünen zu argumentieren. Verfassungsrechtliche Bedenken, wie Rau sie vorschob, sind nicht haltbar, denn die Bundesgesetzgebung läßt zusätzliche Landesregelungen unter sozialen Aspekten zu. Die Grünen wollen Anfang nächsten Jahres eine Anhörung zu ihrem Gesetz und eine schnelle Entscheidung. Die NS-Opfer sind alte Menschen, sie sollen nicht bis ins Grab vertröstet werden. Fünf andere Bundesländer haben bereits vorgemacht, wie der „zweiten Verfolgung“ endlich ein Ende gesetzt werden kann.