KOMMENTARE
: Ende einer Dienstreise?

■ Zum Mißtrauensvotum gegen den thüringischen Ministerpräsidenten Joseph Duchac

Sie geht weiter, die Dienstreise des Joseph Duchac, die lange vor der Wende 1989 begann und viele Stationen hatte. Eine normale DDR- Lebensgeschichte. Ein Mann, der es mit Fleiß und Instinkt zu etwas brachte. Dafür sorgte auch die Mitgliedschaft in seiner christlichen Partei, die allerlei Pfründe in der DDR besaß und vergab. Jedenfalls an ihre botmäßigen Gefolgsleute. So wäre das Leben des CDU-Politikers, Betriebsdirektors und Ratsherren Joseph Duchac im eigenen schmucken Haus und im mitregierten Kreis Gotha bis zur Berentung und gar nicht unglücklich verlaufen, hätte es nicht über Nacht diese Wende gegeben, die sehr rasch Unter- und Mittelmaß nach unten spülte, freilich auch beachtliche Quantitäten der gleichen Art nach oben.

Er sah sich plötzlich an der Spitze Thüringens, als Regierungsbeauftragter de Maizières, und schon wenig später auf dem Stuhl des Regierungschefs.

Atemberaubend das Tempo. Dies, das war ihm sofort klar, ist die Rolle des Lebens. Er war auch Laienschauspieler an einem Arbeitertheater und bekennt sich gern dazu. Zu seinen Rollen des richtigen Lebens freilich nicht. Kampfgruppenkämpfer, Ratsherr, der Wohnungen auch nach politischen Kriterien vergab und noch 1989 dem DDR-Staat in Wort und Tat Gefolgschaft bekundete.

Seine Rolle als clownesker Entertainer in einem Stasi-Erholungsheim, war der letzte und wohl entscheidende Anstoß für die gegenwärtige Entwicklung.

Die Wähler in Thüringen werden in Zukunft gewitzter sein. Menschen, die ihr Leben der Laienkunst geweiht haben, gehören einfach nicht auf den Thron eines regierenden Hauses. Auch Nero hielt sich für einen genialen Künstler. Am Ende brannte Rom. Im Thüringen dieser Tage aber gibt es, dem Himmel sei Dank, tüchtige Feuerwehren. Ihr Markenzeichen, kein römisches, ein Neues Forum. Ihre Farbe grün und rot. Bürgerbewegungen und SPD, die schärfsten Kritiker des so belasteten wie inkompetenten Mannes. Es ist nicht der Opportunismus, der Duchac letztendlich zu Fall bringen wird. So viele waren in diesem Lande opportunistisch oder überzeugt und hielten die DDR für die bessere Welt.

Was die Affäre so beklemmend macht, ist der dreiste und, wie man sieht, noch immer erfolgreiche Versuch, jene Schimäre fortzusetzen, die in der DDR schaurigste Blüten trieb. Die Organisation stillschweigender Komplizenschaft mit den Massen. Wider besseres Wissen wurde geschwindelt und schwadroniert. Aus Angst und Opportunismus, häufiger aus Gewohnheit. Jeder wußte, das ist nicht wahr, ist dreist gelogen. Und fast jeder schwieg.

Duchacs Vertrauen in die jahrzehntelange Rückgratlosigkeit der Menschen ist groß. Im Falle des Thüringer Parlaments lag er richtig, doch im Lande hat das Aufmucken begonnen. Die Proteste werden immer lauter. Eine Regierungskrise, von der CDU in Bonn und Thüringen gleichermaßen durch Verdrängungsstrategien erst richtig angeheizt, ist in Sicht — trotz des gescheiterten Mißtrauensvotums. Mit oder ohne Rücktritt.

Was folgt? Hoffentlich bald ein unbelasteter, kompetenter Mensch in diesem Amt.

Die Leute hier, welch ein Fortschritt, sind die Lüge leid. Egal in welcher Couleur sie einhermarschiert. In der Robe des Volks- oder des Christdemokraten. Henning Pawel