Neue Gnadenfrist für die in Zelten lebenden Boat people aus Haiti

Miami (wps/taz) — Rund sechstausend haitianische Flüchtlinge sind am Dienstag abend nur knapp der Abschiebung durch die US-Behörden entgangen. Ein Bundesberufungsgericht hatte den vorläufigen Abschiebestopp von Bezirksrichter Clyde Atkins aufgehoben. Davon wären eben jene sechstausend Flüchtlinge betroffen gewesen, deren Asylanträge von der US-Einwanderungsbehörde als „unqualifiziert“ abgelehnt worden waren. Doch Atkins reagierte schnell und erneuerte nur wenige Stunden später seine Anordnung, wonach die Haitianer zumindest bis Freitag vor der Ausweisung in ihre Heimat sicher sind. Dann sollen die Rechtsanwälte der Flüchtlinge sowie die Rechtsvertreter der US-Regierung noch einmal angehört werden.

Von den insgesamt 7.500 Haitianern, die seit dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide im September dieses Jahres mit oft seeuntauglichen Schiffen Richtung amerikanisches Festland aufgebrochen waren, sind bislang nur 1.000 als „asylwürdig“ eingestuft worden. Rund 500 sind mehr oder weniger freiwillig nach Haiti zurückgekehrt, einige haben in Venezuela Aufnahme gefunden. Die große Mehrheit wird seit Wochen auf dem US-Militärstützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba festgehalten — untergebracht in Zeltlagern, umgeben von Stacheldraht.

Unklar ist bislang, ob die US-Regierung erneut versuchen wird, den Abschiebestopp des Richters aus Miami per gerichtlichem Widerspruch zu kippen. Regierungsvertreter haben jedenfalls keinen Zweifel daran gelassen, daß Washington die haitianischen Boat people umgehend abschieben will, sobald die Gerichte grünes Licht geben. „Wenn die Haitianer zurückgebracht werden“, erklärte Rechtsanwältin Cheryl Little vom „Haitianischen Flüchtlingszentrum“ in Miami, „dann gibt es keinen Zweifel, daß viele von ihnen lebensbedrohlichen Situationen ausgesetzt sein werden“.

Mitglieder des US-Kongresses, aber auch Bürgerrechtsgruppen hatten in den letzten Wochen scharfe Kritik an der „Repatriierungspolitik“ der Bush-Administration geübt, die sich zwar einerseits zusammen mit anderen amerikanischen Staaten am Embargo gegen das neue Regime in Port-au-Prince beteiligt, andererseits aber die Boat people als Wirtschaftsflüchtlinge abstempelt.