Wie werden wir ihn nur los?

Thüringens Ministerpräsident Duchac überstand gestern ein Mißtrauensvotum/ Keiner gratulierte, und jeder spekuliert auf seinen langsamen Abgang/ Von der Kampfgruppe zum Ministerpräsidenten  ■ Von Henning Pawel

Keiner gab dem Triumphator die Hand. Trotz des abgeschmetterten Mißtrauensvotums herrschte in der CDU-Fraktion des thüringischen Landtags gestern keine Siegesstimmung. Nicht ein einziger der Abgeordneten hielt es für nötig, dem Regierungschef zu gratulieren. Hinter vorgehaltener Hand gab man zu erkennen, daß gestern ein Abschied auf Raten eingeleitet wurde. Beachtlich die Pose des Ministerpräsidenten, der entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten vor Beginn der Abstimmung jeden seiner Fraktionskollegen per Handschlag begrüßt hatte, nach der Abstimmung jedoch wie ein erschöpfter Dienstreisender steinernen Gesichts auf seinem Platz sitzenblieb.

Wie werden wir ihn nur los? Bang gemurmelte Frage eines CDU-Landtagsabgeordneten. Duchac (nach Ansicht seiner Mutter ein ausgesprochener Frauentyp, „die haben ihn alle gewählt“) hat es wieder einmal geschafft. Noch nicht einmal knapp ging's zu bei der Abstimmung über das Mißtrauensvotum von SPD und der Fraktion Grüne/Neues Forum/ Demokratie jetzt: 49 der anwesenden 87 Abgeordneten stimmten gegen den Antrag.

Es reicht allemal, weiterzumachen wie bisher. Doch auch der Bevölkerung reicht es. Unmut wurde laut nach dem Abstimmungsergebnis. Ein Mann mit dieser Vergangenheit darf im Lande Thüringen noch nicht einmal Hausmeister im öffentlichen Dienst bleiben. Er aber sieht nach wie vor keinen Grund, zurückzutreten. Wie denn auch. In hiesigen Gefilden war es schließlich 40jährige Tradition, im Amte zu sterben oder in der Blüte der Jahre 83jährig nach Berlin ins Politbüro versetzt zu werden.

Bis 83 aber sind's noch kleine 25 Jahre für den Ministerpräsidenten und: „Eine eschte Tragik wärs“ (so eine angeheiratete Cousine), „nach so kurzer Zeit schon wieder alles hinschmeißen zu müssen, wo die Welt jetzt ein- und ausgeht bei uns.“

Und auf Tragik versteht er sich nun wirklich. Er hat schließlich in genügend Tragödien mitgespielt vor seinem Aufstieg in die Weltpolitik. Als Laienschauspieler im Arbeitertheater Gotha, als Direktor im Gummiwerk Waltershausen, als Vorwendewohnungspolitiker im Gothaer Kreistag, in den Kampfgruppen der Arbeiterklasse und anderswo. Seine letzte Rolle, die des Regierungschefs, darf er nun weiterspielen. So dilettantisch und inkompetent wie bisher, aber auch so hartnäckig. Doch es wird ihm nichts nützen. Auch in seiner Fraktion mehren sich die Stimmen, die vor der immer schwerer wiegenden Erblast warnen. Und die Opposition kämpft weiter.

Besonders die Fraktion der Bürgerbewegungen. Immer wieder ist dieses Häuflein Unverzagter zu Felde gezogen gegen den Tragöden, der, wie man kürzlich in Erfahrung brachte, auch ein Komiker war. Saukomisch sogar, als Conferencier im Stasi-Erholungsheim. Gebogen vor Lachen haben sich die Geheimen damals im Thüringer Wald. Dann aber sind sie finster geworden und gaben ihm angeblich Hausverbot. Warum denn nur?

Der Ministerpräsident meint, es war politisch. Kann schon sein. Vielleicht aber lag es auch an jener Seppllederhose, die der Duchac-Peppi damals in jenem Hause trug und in der er sein Entertainment betrieb. Die nämlich stammte aus dem imperialistischen Bayern. Man bedenke, eine bayerische Hose in solch einem Haus. So etwas wagten eigentlich nur Widerständler.

Die Bürgerbewegungen im Parlament aber geben nicht auf. Schon im Vorfeld des Mißtrauensvotums immer wieder Vorstöße, die freilich den Sturz des Mannes ganz oben nicht beförderten. Im Gegensatz zu den Sozialdemokraten ging es ihnen aber niemals vordergründig um die Person Duchac. Der Wahrhaftigkeit fühlen sie sich verpflichtet, die wieder einmal großen Schaden nimmt im Lande. Um den Neuanfang geht es, der aber nicht beginnen kann, solange die Altlast noch an solchen Schaltstellen der Macht sitzt.

Auch der CDU-Parteitag hat Zeichen gesetzt. Mehrfach fiel der Name „Duchac“ in den Wandelgängen und Diskussionen. Sicherlich nicht, um seine Leistungen zu rühmen. Und eigentlich wäre schon am Dienstag nach diesem Bombardement gegen die Nutten (Eppelmann: „Wir alle waren welche, nur ist die Frage, wer hat mit wie vielen geschlafen?“) der Rücktritt fällig gewesen. Er trat aber nicht und stürzte auch nicht. Sieht dagegen finstere Mächte und gewisse Kreise, die aus den bekannten Gründen der Partei CDU ans Leder wollen. Dabei geht es nur um die bewußten Lederhosen und um sein ledernes Fell. Er will dennoch bleiben. Wie lange noch?

Die FDP, noch in der letzten Woche wild entschlossen, die Regierung zu säubern, hat es sich schnell noch überlegt und wedelte, offensichtlich fast geschlossen, weil Lambsdorff es gestern verfügte, wieder zurück in die Reihen. Drei Ministerien sind schließlich besser als gar nichts. Warum also einen Regierungssturz riskieren, der jede Menge Unbekannter mit sich bringt? Nachfolger wären in Sicht. Ein Vogel aus Rheinland-Pfalz hat schon gezwitschert. Das „Gescheitle“ Lothar Späth aus Baden-Württemberg, zur Zeit Carl- Zeiss-Jena-Boss, hat ebenfalls kurz gehustet, dann aber vorsichtshalber, wie es sich für einen professionellen Politiker gehört, dementiert.

Ob er wirklich noch mal so richtig arbeiten will? Denn das muß er hier. Gut wäre es für das Thüringer Land. Der Mann kann, im Gegensatz zum Amtsinhaber, ja wirklich was. Zwar herrscht besonders in Thüringer Moralistenkreisen Furcht vor dem Rückfall in die alten Gewohnheiten vom Cleverle. Völlig unbegründet. Beruhigend auch, daß der Fluß Gera, der die Landeshauptstadt Erfurt durchquert, nicht schiffbar ist. Jedenfalls nicht für Luxusjachten. Doch leider noch ist der andere, das Altlastsorgenkind, im Amt. Und sein Rücktritt noch immer nicht in Sicht. Wenn dieser nicht endlich von seinen Parteifreunden vorgenommen wird.