Neue politische Kraft in Deutschland?

■ Bündnis 90 zur Zusammenarbeit mit den Grünen bereit/ Man läßt sich aber nicht unter Druck setzen

Der Sprecherrat vom Bündnis 90 hat gestern seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Grünen bekräftigt, zugleich aber die jüngste Kritik des Grünen-Sprechers Ludger Volmer zurückgewiesen. Wolfgang Templin erklärte, das Bündnis setze nach wie vor auf das Zustandekommen einer „neuen politischen Kraft in Deutschland mit der Bürgerbewegung und den Grünen als Kern“. Unterhalb des Anspruchs einer „gemeinsamen politischen Neukonstituierung“, so Templin, sei ein Zusammengehen mit dem Bündnis allerdings „nicht zu haben“. Die notwendige Diskussion für ein solches Projekt wolle das Bündnis nicht in erster Linie mit dem Grünen-Bundesvorstand, sondern mit dem Grünen-Länderrat, den einzelnen Landesverbänden sowie mit denjenigen Grünen führen, die sich bereits öffentlich für ein solches „gleichberechtigtes, grün-bürgerbewegtes Parteiprojekt“ ausgesprochen hätten.

Ludger Volmer hatte am Montag vor der Bonner Presse sein Bedauern über die bislang fruchtlosen Versuche des Bundesvorstandes, mit dem Bündnis ins Gespräch zu kommen, öffentlich gemacht. Hierzu erklärte Templin, wichtige Positionen grüner Politik, für das Zustandekommen einer Kooperation unabdingbar, seien im derzeitigen Vorstand nicht vertreten. Das mache das Gespräch nicht einfacher. Templin zeigte sich befremdet über den „Versuch, eines innerhalb der Grünen selbst kaum akzeptierten Vorstandes, sich mit Druck auf die Bürgerbewegung zu profilieren“.

Auch der Bundestagsabgeordnete Werner Schulz, wie Templin einer der Bündnissprecher, wies gestern den „ultimativen Druck“ des Grünen-Vorstandes auf das Bündnis zurück und nannte es ein „merkwürdiges Vorgehen“ zwischen prospektiven Partnern, wenn man aus der Presse und ohne Vorabsprache von den verbindlichen Terminvorstellungen der Grünen erfahre. Volmer hatte das Bündnis aufgefordert, sich bis spätestens Ende 92 für eine Zusammenarbeit zu entscheiden.

Mittlerweile existiert ein ausführliches Memorandum des Bundesvorstandes zu „Perspektiven und Problemen einer Annäherung“ zwischen Grünen und Bürgerbewegung. Es unterscheidet drei Strömungen innerhalb der Bürgerbewegung, von denen die erste ihre Auffassungen „ohne jede Gefahr der Dogmatisierung“ in den gemeinsamen Diskussionsprozeß einspeisen wolle, um „möglichst schnell und umstandslos mit uns zusammenzugehen.“ Daneben gebe es eine eher kooperationsunwillige Strömung, die „keine Gelegenheit“ auslasse, die Grünen „in der Öffentlichkeit zu diskreditieren“. Eine sogenannte Mittelströmung betone zwar ihren eigenen Ansatz, verstehe aber die Zusammenarbeit als „erzieherische Maßnahme“ für die Grünen. Die beiden letzteren Gruppen seien zudem stark umworben von West-Grünen. eis