Zu Weihnachten die Mogelpackung?

Auch bei einer Rettung in letzter Minute würde DT64 weitermachen  ■ Von Irina Grabowski

Die RedakteurInnen von DT64 räumen heute die Studios. An ihrer Stelle werden 24 Stunden lang prominente Politiker und Künstler vor dem Mikrofon schwitzen. Mit dem Wetterbericht — live aus Hamburg — geht der Publizist Günther Gaus auf Sendung. Chefabwickler Rudolf Mühlfenzl wird unter dem Motto „Kom-Post“ aus Hörerbriefen zitieren. Die Aktion Stimmbruch ist die letzte Verbeugung, bevor der Vorhang fällt, den Hörern als Dank, die sich gerade in den letzten Wochen für ihren Sender aufgerieben haben.

War's das nun, oder gibt es nicht doch noch eine Überlebenschance? Eigentlich war man im Sender in letzter Zeit nur damit beschäftigt, an den Bonmots für den Abgesang zu feilen. Völlig unerwartet platzte da der MDR mit dem Angebot in die Endzeitstimmung, daß man den Jugendsender in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt für ein weiteres halbes Jahr unter dem öffentlich-rechtlichen Dach dulden wolle.

Unklar ist, ob die bisherigen Frequenzen dort ab Januar überhaupt zur Verfügung stehen. Zu entscheiden hat darüber nicht der MDR, sondern die im Aufbau befindliche sächsische Landesmedienanstalt. Annehmbar sei die „Parklösung“ ohnehin nur, erklärte man bei DT64, wenn sich ihr auch andere Sendeanstalten in den neuen Bundesländern anschließen würden. Für die Fans vom „Netzwerk — der Initiativen zum Erhalt von DT64“ ist zudem die vom MDR angekündigte „Entideologisierung des Programms“ unakzeptabel.

Der rettende Strohhalm, so DT- Chefredakteur Michael Schiewack, könne sich als „riesengroßer Bluff“ entpuppen. Enttäuscht ist er von den Medienstrategen in Brandenburg, dem einzigen Land, wo sich die Parlamentarier im Landtag mit großer Mehrheit für DT64 ausgesprochen hatten. Doch gleich bei seinem ersten Auftritt in der Öffentlichkeit stellte der Intendant des ODR, Hansjürgen Rosenbauer, klar, daß es in Brandenburg ein Jugendprogramm mit dem SFB zusammen geben werde, das „nicht DT64 und auch nicht Radio 4U sein wird“ — obgleich es zu einer personellen Verquickung kommen soll. Die brandenburgischen Frequenzen von DT64 hat sich der ODR dafür schon gesichert. Allein die SPD kommt durch den MDR-Vorstoß in Bedrängnis, hatte doch sogar die medienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Hanna Wolf verkündet, Brandenburg ziehe mit, wenn sich auch ein anderes Land des Senders annehme. Alles leere Versprechungen, denn im entscheidenden Gremium — dem ODR- Rundfunkrat — sind die Sozis aus eigenem Verschulden nicht direkt vertreten. Der aber lehnte die Fortführung von DT64 mit nur einer Ja- Stimme und 15 Enthaltungen ab.

Die letzte Chance sieht Schiewack darin, daß wenigstens auf der bisherigen Berliner Frequenz, zusätzlich zum MDR-Angebot, weitergesendet werden kann. Der Berliner Kabelrat, der diese Frequenz noch freihält, hat dagegen nichts einzuwenden — wenn der SFB oder der ODR die presserechtliche Verantwortung übernehmen. Darüber wird noch verhandelt, denn mittlerweile hat der MDR sein Angebot erneuert und technische sowie finanzielle Hilfe zugesagt. Die Kehrtwende des MDR-Intendanten Reiter, der bisher für die Abschaltung des Senders plädierte, läßt sich nur damit erklären, daß Ministerpräsident Biedenkopf den Funkmedien-Chef höchstselbst bat, doch etwas gegen den Aufstand der Fans zu unternehmen.

Nun ist alles wieder in der Schwebe. Chefredakteur Schiewack sammelt zum x-ten Mal die Namen der RedakteurInnen, die mitziehen würden, wenn es tatsächlich weitergeht. Mit der Variante „MDR- Parklösung plus Berliner Frequenz“ bliebe seiner Meinung nach genug Zeit, um die Privatisierung und damit den Erhalt des Senders vorzubereiten. Der erste ernsthafte Versuch in dieser Richtung sei gescheitert, weil es — als die interessierten Geldgeber vor der Tür standen — in den Ländern noch keinen Ansprechpartner für die Frequenzverteilung gab. Die Staatskanzleien aber, damals noch federführend in Medienfragen, lehnten das von Chef-Abwickler Mühlfenzl angeregte Konzept eines überregionalen, privaten Jugendsenders ab, obwohl den Ländern Anteile angeboten wurden.

Die Reihen im Sender haben sich mittlerweile gelichtet. Der ODR und andere Anstalten werben kräftig ab. Doch weit über die Hälfte der Belegschaft würde weitermachen, wenn noch in letzter Minute eine Zwischenlösung mit Perspektive gefunden wird.