Grüner Datenschützer durchgefallen

■ Wackelkontakt in der Potsdamer Ampelkoalition: Bündnis-90-Kandidat abgeschmettert

Berlin (dpa/taz) — Die Potsdamer „Ampelkoalition“ steuert auf eine dicke Krise zu: Entgegen der in der Koalition getroffenen Absprache ist der vom Bündnis 90 nominierte Kandidat für das Amt des Landesdatenschutzbeauftragten, Thilo Weichert, in geheimer Abstimmung im Landtag durchgefallen.

Der frühere baden-württembergische Landtagsabgeordnete hat bei der Wahl lediglich 37 Stimmen erhalten. Bei drei ungültigen Stimmen und 16 Enthaltungen hatten 30 Abgeordnete für den CDU-Gegenkandidaten Detlev Kirchhoff votiert. Kirchhoff erreichte die notwendige Mehrheit auch nicht. Weil die Koalitionsparteien SPD, FDP und Bündnis 90 zusammen über 48 Sitze im Landtag verfügen, ist warscheinlich, daß sich ein Teil der Abgeordneten nicht nur der Stimme enthalten, sondern auch für den CDU-Kandidaten gestimmt hat.

Um Weichert hatte es bereits im Herbst eine scharfe Kontroverse in der Koalition gegeben. Der Regierungspartner FDP hatte sich gegen seine Wahl zum Datenschützer ausgesprochen, für den das Bündnis 90 das Vorschlagsrecht hat. Die Liberalen beriefen sich auf ihre Abgeordnete Rosemarie Fuchs, die sich illegal beim Kölner Verfassungsschutz mit Material über den ausgewiesenen Geheimdienstkritiker Weichert munitionieren ließ. Weil der Jurist in den achtziger Jahren auch an Sitzblockaden vor US-Militäreinrichtungen teilgenommen hatte und dafür zu Geldstrafen verurteilt wurde, wies der Verfassungsschutz den Kandidaten kurzerhand als „vorbestraften Anarchisten“ aus.

Im Januar soll Weichert erneut zur Wahl vorgeschlagen werden. Falls er wieder durchfalle, müsse über Konsequenzen nachgedacht werden, sagte der Fraktionschef des Bündnisses, Günter Nooke. Für Bildungsministerin Marianne Birthler (Bündnis 90) stellt sich die Koalitionsfrage noch nicht. Es gebe aber offenbar zunehmend Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Abgeordneten in der Ampelkoalition. Der Fall Weichert sei offenbar ein „Transportmittel für Unbehagen am jetzigen Zustand“.

Zur umstrittenen Übermittlung von Material des Verfassungsschutzes kündigte Weichert ein juristisches Nachspiel an. Er verwies auf ein Schreiben des Bonner Datenschutzbeauftragten, der die Informationsübermittlung beanstandet hat. Der Abgeordneten Fuchs warf Weichert vor, „von außen gesteuert“ worden zu sein und ein falsches Spiel zu treiben: Die FDP-Frau habe ihn mit dem Angebot einer Wahl zum Landesbeauftragten für Stasi-Akten zu einem Verzicht auf eine Kandidatur als Datenschutzbeauftragter bewegen wollen. Die FDP-Politikerin wies dies auf Anfrage jedoch zurück. wg