piwik no script img

Sechs Jahre Haft für Neonazi Simon

Landgericht Göttingen verurteilt ihn wegen „gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge“  ■ Aus Göttingen Reimar Paul

Eine Jugendkammer des Göttinger Landgerichts verurteilte den achtzehnjährigen Neonazi Oliver Simon am Donnerstag wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren Gefängnis. Die Richter hielten es nach zwanzig Verhandlungstagen für erwiesen, daß Simon in der vergangenen Neujahrsnacht in Rosdorf bei Göttingen den Wehrpflichtigen Alexander Selchow mit einem Messer angegriffen und durch einen Stich in den Bauch tödlich verletzt hatte.

Den mitangeklagten, gleichaltrigen Skinhead Sven Scharf verurteilte die Kammer wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu vier Wochen Dauerarrest. Die Staatsanwaltschaft hatte für Simon sieben Jahre und für Scharf achtzehn Monate Gefängnis gefordert.

In dem Verfahren, das unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand, bemühte sich das Gericht um eine detaillierte Konstruktion der Geschehnisse. Die beiden 18 Jahre alten Rechtsextremisten hatten eine Silvester-Party von Rosdorfer Neonazis mit dem festen Vorhaben verlassen, noch „herumschwirrende Linke durchzuklopfen“. Simon und Scharf trafen eine viertel Stunde nach Mitternacht zufällig auf Selchow. Während Scharf dem Gericht glaubhaft machen konnte, daß er den Soldaten wegen einer verbalen Auseinandersetzung am frühen Abend lediglich zur Rede stellen wollte, sei Simon mit gezücktem Messer auf Selchow zugesprungen und habe ihm insgesamt fünf Stiche in den rechten Arm und den Bauch versetzt. Der Wehrpflichtige starb wenige Stunden später nach einer Notoperation in der Göttinger Universitätsklinik.

Simon und Scharf sind keine Unbekannten in der niedersächsischen Neonazi-Szene. Als Mitglieder der rechtsextremistischen Freiheitlichen Deutschen Arbeiter-Partei (FAP) waren sie bis zur ihrer Verhaftung an zahlreichen Gewaltaktionen gegen Ausländer oder Linke beteiligt. Simon, der als Zögling des FAP- Landesvorsitzenden in Mackenrode wohnte, mischte unter anderem mit, als Neonazis die Besucher eines Gerichtsverfahrens mit Tränengas besprühten, iranische Frauen bespuckten, mit gezückten Messern gegen Hausbesetzer vorgingen und am Grab von Rudolf Heß demonstrierten. Sven Scharf war dabei, als Skinheads Diskotheken-Besucher mit Flaschen bewarfen und mit Knüppeln zusammenschlugen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen