Israel beginnt das Jahr ohne Haushalt

■ Koalitionsstreit verzögert Budgetdebatte/ Zugeständnisse an Siedler in besetzten Gebieten verlangt

Tel Aviv (ap/taz) — Israel hat das neue Jahr ohne einen Haushalt für 1992 begonnen. Heftiger Streit in der Koalition von Ministerpräsident Jizchak Schamir verhinderte am letzten Tag des alten Jahres die geplante Verabschiedung des Staatshaushaltes in der Knesseth. Ohne Haushaltsgrundlage ist die Regierung in ihrem Handlungsspielraum gelähmt. Sollte die Krise nicht rasch beigelegt werden, könnten Neuwahlen notwendig werden.

Vor allem die verschiedenen religiösen Parteien und die Lobby der Siedler verhinderten in der Knesseth die Verabschiedung des Staatshaushaltes. Um die Koalition am Leben zu erhalten, ist Premierminister Schamir darauf angewiesen, Konzessionen an seine religiösen Partner zu machen. Den beiden rechtsextremen Koalitionsfraktionen Moledet und Tehya war es am Dienstag gelungen, Finanzminister Jizchak Modai zu überreden, weitere 5.000 Wohnungen, die ursprünglich im Negev und Galil gebaut werden sollten, in die besetzten Gebiete zu „verlegen“. Zusätzlich sollen 28 Millionen Schekel für die Schaffung von Arbeitsplätzen für Siedler in den besetzten Gebieten bereitgestellt werden. Hinzu kommen 35 Millionen für den Straßenbau und zur Sicherheit der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten. Schließlich gelang es den Vertretern der beiden Koalitionsfraktionen auch noch, 50 Millionen Schekel für „Häuserbau in Dörfern, vor allem in den besetzten Gebieten“, für die Siedler herauszuschlagen.

Außerdem bemühten sich die Tehya- und Moledet-Vertreter, den Neueinwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion mit zusätzlichen Mitteln entgegenzukommen. Dabei ist noch keineswegs klar, wie hoch die Gesamtsumme im Staatshaushalt 1992 sein wird, die für Siedlungszwecke in den besetzten Gebieten bestimmt ist.

Gleichzeitig zu der kontroversen Haushaltsdebatte steht in der Knesseth die Gesetzesvorlage für direkte Wahlen des Ministerpräsidenten zur Abstimmung. Wenn sich der Entwurf durchsetzt, kann das Parlament den Ministerpräsidenten künftig nur noch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit abwählen. Zwei religiöse Koalitionsfraktionen und die parlamentarische Gruppe von Finanzminister Midai hatten sich bis gestern noch nicht entschieden.

Unterstützt wird das neue Wahlsystem von der Arbeiterpartei und anderen linken Oppositionsgruppen, der Likud hingegen sowie die rechtsextremen Koalitionspartner Schamirs und einige religiös-orthodoxe Fraktionen und der liberale Oppositionsabgeordnete Wirschuvski sprechen sich gegen das Gesetz aus. Amos Wollin