Wenn's im Nacken kribbelt

■ Ganz Berlin in einer Taxe (5)/ Noch nie angegriffen?

Taxisäule Tegel. Kommen Sie bitte nach Heiligensee, in die ...Straße. Am besten Autobahn, Schulzendorfer Straße runter, dritte Straße rechts... Zehn Minuten später. Hallo, da sind Sie ja. Wir fahren zurück nach Tegel. Nein, nicht wieder links, die Autobahn lassen wir mal, wir haben ja Zeit, jetzt lernen Sie einen idyllischen Schleichweg kennen. Immer vorausgesetzt, Sie trauen sich mit mir ins Grüne, ha, ha!

Sie sind nicht ängstlich? Sie sehen auch nicht aus. Aber wir wollen mal den Tatsachen ins Auge sehen, ist doch ein verdammt gefährlicher Job heutzutage. Die Frau, die auf unsere Kinder aufpaßt, ist auch Taxe gefahren bis vor zwei Monaten, bis Sie überfallen wurde. Direkt das Messer an die Kehle gesetzt, der Typ.

Sie fahren nicht nachts? Das hat nichts zu sagen, die Sache ist mittags in einer Gartenkolonie passiert. Für die ist der Job gestorben, setzt keinen Fuß mehr ins Auto.

So, jetzt biegen Sie mal ganz links ab, zwar 'ne einsame Gegend hier, aber hübscher.

Wie lange fahren Sie schon? Nein, nicht heute, ich meine überhaupt. Und Sie sind noch nie in irgendeiner Form angegriffen worden? Oder eine ähnlich unangenehme Situation? Ich meine, man weiß ja nie, wer einem da so ins Auto schneit. Was, Sie haben einen siebten Sinn für solche Menschen? Ihr Adrenalinspiegel steigt, und es kribbelt im Nacken? Und was machen Sie dann?

Keine Bange, es sieht hier nur so aus, als ob der Weg in den Wald führt. Kennt kein Taxifahrer.

Wo waren wir stehengeblieben, ach ja, das es bei Ihnen dann kribbelt. Und dann? Sie reden erst mal viel? Versuchen, den Fahrgast in ein Gespräch zu ziehen? Nicht schlecht, das ist schon mal ganz gut, erhöht die Hemmschwelle der Täter, da gibt's sogar Literatur drüber. Aber jetzt reden Sie ja auch ziemlich viel, zumindest stellen Sie mir dauernd Fragen.

Und was machen Sie dann? Sie stoppen ohne Vorwarnung an der nächsten Taxihalte? Und schmeißen den dann raus? Ja, ja, da müssen Sie aber erst mal hinkommen, hier zum Beispiel ist weit und breit keine, das wissen sie ja selbst, die nächste ist in Tegel.

Warum ich mich so für das Thema interessiere? Ist mein Hobby, zum Teil auch mein Beruf, habe viel mit diesen Schlawinern zu tun. Nehmen Sie zum Beispiel den Mord an diesem Mädchen, das ihre Wohnung vermieten wollte. Was? Davon wissen Sie nichts? Lesen Sie denn keine Zeitung?

Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber müssen Sie plötzlich so in die Kurve geigen? Da wird einem ja Angst und Bange! Auf jeden Fall hat das Mädchen Panik gekriegt, als Sie das Messer gesehen hat, sonst wär die Sache anders ausgegangen.

Können Sie bitte etwas sanfter fahren, so wie am Anfang, wissen Sie, sonst kann ich mich gar nicht konzentrieren.

Aber die wenigsten wissen, daß es für einen Taxiüberfall mehr Straßen gibt als für einen Banküberfall, und wenn Sie Ihren Freund umbringen wollen, müssen Sie sich vorher nur kräftig einen ansaufen.

Wenn Sie Glück haben, kommen Sie mit einem Jahr davon.

Wir kommen ja schon nach Tegel rein. Sie können hier halten.

Na, hatt's nicht gekribbelt? War 'ne nette Fahrt, ich hoffe, ich habe Ihnen nicht den Tag verdorben. Passen Sie gut auf sich auf, immer schön auf das Gefühl im Nacken achten! Barbara Freisleben