Ein Erbauer nicht nur von Kisten

■ Über Werner Düttmann, den Architekten der Akademie der Künste, des Brücke-Museums und des Mehringplatzes

Es gibt wohl genug in dieser Stadt wirkende Architekten, von denen man im Laufe der Zeit nie, jedenfalls nicht unwillentlich, soviel Entworfenes zu sehen bekommt wie von Werner Düttmann. Es gibt aber auch nur wenige Architekten, denen in ihrer Laufbahn so unterschiedliche Bauaufgaben auf das Reißbrett gerieten und die dabei, was die Qualität der Bauten betrifft, so divergierende Ergebnisse zur Ausführung brachten.

Werner Düttmann hat nicht nur an vielen markanten Stellen in dieser Stadt das stadträumliche Bild zu bestimmen vermocht — durch städtebauliche und architektonische Plangen; er hat als Architekt im Entwurfsamt der Bauverwaltung Berlin (1951-56), als Senatsbaudirektor (1960-66) und als Präsident der Akademie der Künste (1973-83) auch immer wieder aktiv ins kulturelle und baukulturpolitische Leben Berlins eingegriffen, es an entscheidender Stelle mitgeprägt.

Auch wenn wir im nachhinein nicht mit allen baupolitischen und städtebaulichen Entscheidungen und architektonischen Ausformulierungen einverstanden sein müssen, gelegentlich die Stirne in Falten legen und uns lieber ärgern, als gedanklich großzügig klein beizugeben — so bleibt doch Respekt. Respekt vor der Kraft und dem Willen, diese Entscheidungen jeweils zu fällen, Respekt vor der Arbeitskraft (eingedenk der Lenkungs- und Führungskraft gegenüber den vielen Mitarbeitern überall, ohne die ein solches Werk nie entsteht) und Respekt vor allem vor der doch durchgängigen Haltung zum Beruf, zum Hiersein, zur menschlichen Selbstbegegnung, die von tragischen Seiten nicht immer frei war.

1921 geboren, studiert Düttmann nach Abitur und Arbeitsdienst ab 1939 an der Technischen Hochschule Berlin Architektur, um nach Wehr- und Kriegsdienst 1946/47 zunächst als freischaffender Bildhauer und Maler sein Glück zu versuchen. Bald schon nimmt er das Architekturstudium wieder auf, um auch ganz schnell 1948 seine Diplom-Prüfung abzulegen und in städtischen Ämtern seine Laufbahn als »öffentlicher« Architekt zu beginnen.

Schnell schon bekam er reichlich Aufträge und nahm an zahlreichen Wettbewerben teil. Das Werkverzeichnis auf dieser Seite gibt Auskunft über sein Schaffen in Berlin, wobei der Umfang dieses Lebenswerkes selbst den Kenner der Materie noch überraschen kann.

Als städtebauliche Eingriffe sind vor allem bekannt und einprägsam bis berühmt-berüchtigt: die Gestaltung des Ernst-Reuter-Platzes, die Planung für das Märkische Viertel, die städtebauliche Beratung beim Europa-Center und die Figur des Mehring- Platzes.

Seine bekanntesten Bauten dürften sein: Hansa-Bücherei/U-Bahn am Hansa-Platz, die Akademie der Künste, das Brücke-Museum, die Mensa der Technischen Universität Berlin, die kreisrunde Wohnbebauung des Mehringplatzes, Wohnbauten des Märkischen Viertels und das Ku'damm-Eck.

Ein Buch gibt nun Auskunft über dieses Werk. Es ist erschienen in der Archibook-Reihe des Birkhäuser- Verlages. Diese Reihe wiederum wird von Martina Düttmann, einer Tochter des Architekten herausgegeben. Bearbeitet hat das Buch Haila Ochs, und herausgekommen ist ein 320 Seiten dicker Architektur-, Lese- und Guck-Schmöker, den man getrost ein halbes Jahr auf dem Schreibtisch liegen lassen kann, um ihn das ein oder andere Mal wieder in die Hand zu nehmen.

Die Texte des Buches, die sich biographischen Aspekten oder aber Einzelbauten beziehungsweise -problemen widmen, sind von so unterschiedlichen und bekannten Autoren wie Uwe Johnson und Elisabeth Killy, Günther Kühne, Hans Mayer und Lore Ditzen, von Eberhard Roters, Ulrich Conrads, Dietmar Steiner und natürlich der Bearbeiterin Haila Ochs verfaßt. Allein schon diese Namenspalette mag belegen, wie stark das Leben und Wirken dieses Architekten auf das kulturelle und architektonische Leben dieser Stadt gewirkt hat, noch weiter wirkt.

Das Buch geht chronologisch vor, beschreibt die jeweilige Bauaufgabe und ist hervorragend illustriert. Das eine oder andere Mal hätte man sich eine doch eher kritische, d.i. auch kritisierende Würdigung gewünscht — bei der Produktpalette bleibt eben doch schon mal die Qualität auf der Strecke: vor allem bei den in den letzten 20 Jahren ausgeführten mehrgeschossigen Massenwohnungsbauten in mehr oder weniger Kisten-Manier. Am eindrucksvollsten sind wohl seine Einfamilien- und Atelierwohnhäuser, Kirchen und Museumsbauten: das Brücke-Museum in Zehlendorf, die Akademie der Künste in Tiergarten und die Erweiterung der Kunsthalle in Bremen: schlichte, aus dem Geist der Zeit geschaffene klare Baukörper, die sich der Aufgabe, der Kunst zu dienen, auf qualitäts- und verdienstvolle Weise stellen. Hier erweist sich Werner Düttmann auch als sensibler Gestalter von poetischen Raumfolgen, als Lichtgestalter und als jemand, der Architektur in Kuben aufzulösen vermag und diese nicht als dumpe Blöcke interpretiert. Damit steht er in vielen Fällen in der Tradition der Raumauffassung der Architektur der 20er Jahre.

Das Buch schließt mit einem Katalog der Bauten, einem ausführlichen Werkverzeichnis und hält auch sonst allen wünschenswerten Ansprüchen stand: es ist übersichtlich, genau recherchiert, großzügig und benutzerfreundlich ausgestattet und vor allem auch mit den notwendigen Grundrissen und weiterführenden Literaturhinweisen versehen. Martin Kieren

Architekt für Berlin 1921-1983, Werner Düttmann — Verliebt ins Bauen , bearbeitet von Haila Ochs Birkhäuser-Verlag Basel/ Berlin/ Boston 1990 (Archibook-Verlag Martina Düttmann Berlin); 128 DM