„Systemstörung“ Elf 99 privatisiert

Ab 6. Januar ist das vormalige DFF-Jugendmagazin auf RTL plus zu sehen  ■ Von Hans-H. Kotte

Das Adjektiv „ehemalig“ oder kurz „ex“, das so vielen Namen und Begriffen der DDR vorsteht, es gilt seit Neujahr auch für den Deutschen Fernsehfunk (DFF). Das Gelände des Senders, in Berlin-Adlershof zwischen Bahnschienen und Industriekomplexen gelegen, ist zu einer Geisterstadt geworden. Nur wenige Menschen gehen hier noch versonnen ihrer letzten Wege, Umzugslaster und technische Müllhalden prägen die riesige Leerstelle. Ausschlachter der ARD-Anstalten machen sich an die Arbeit. Nur ein TV- Team bereitet eifrig eine Premiere vor: das des Jugendmagazins Elf 99, das sich vom letzten Köder der SED für die Jugend zu einem Motor der „Wende“ entwickelt hatte. Das Magazin wird nun hauptsächlich für den Privatsender RTL plus — aber auch andere private und öffentlich-rechtliche Anbieter — arbeiten. Dazu werden die entsprechende Technik und die Räumlichkeiten angemietet.

Die kürzlich gegründete „Elf 99 Medienproduktion und Vermarktung GmbH“ stellten am Donnerstag Chefredakteur Georg Langerbeck, seine Kollegen und Vertreter des Kölner Senders vor. Statt zweimal wöchentlich mit 105 Minuten wird Elf 99 ab nächsten Montag live und werktäglich zwischen 18 Uhr und 18 Uhr 42 auf RTL plus zu sehen sein. Der Anteil an Werbezeit soll bei neun Minuten liegen. Für den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) produziert Elf 99 das Magazin Mitmenschen und verschiedene Ratgebersendungen, der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) hat das Musikmagazin Countdown geordert. Außerdem ist an die Produktion von Musikvideos, Features und „industriellen Werbefilmen“ gedacht. Selbst das Elf-99-Logo soll — wenn möglich — für Bücher, VHS-Kassetten, Möbel, Mode und ein Plattenlabel vermarktet werden.

Nach Angaben des Jugendmagazins wurden 80 Prozent der vorher rund 177 Elf-99-Leute übernommen. Weitere könne man als „Freie“ an sich binden, wenn mehr Fremdaufträge aquiriert seien. An der gegründeten GmbH sind zu jeweils 49 Prozent die Ufa-Gesellschaft des Bertelsmann-Konzerns und die Muttergesellschaft CLT von Radio Luxemburg beteiligt. Zwei Prozent hält eine Gesellschaft der MitarbeiterInnen. Sie haben, so Langerbeck, zwar „keine Sperrminorität, aber alle inhaltlichen Kompetenzen“. Außerdem besäßen die MitarbeiterInnen die Rechte am Logo und am Namen.

In Ostdeutschland ist das Programm über Satellitenschüssel zu empfangen, in Westdeutschland über Kabel oder terrestrisch. Allerdings wird Elf 99 nur dort laufen, wo RTL plus kein regionales Fenster im Programm hat. Ganz in die Röhre schaut die Mehrheit der ZuschauerInnen ausgerechnet in Berlin und Brandenburg. Dort hat RTL plus noch keine starke Frequenz, die ins Umland strahlen würde, zudem ist das abendliche Fenster hier zunächst bis Ende März an den örtlichen Anbieter „Fernsehen aus Berlin“ (FAB) vergeben. Angesichts des ebenfalls in Berlin startenden RTL-Frühstücksfernsehens forderte der Marketing-Mann der Kölner, Peter Hönisch, erneut eine „starke Frequenz“ für seinen Sender.

Laut Georg Langerbeck ist die Entscheidung für RTL plus gefallen, weil der MDR in Sachsen und der Brandenburger OBR kein akzeptables Angebot gemacht hätten. Der MDR wollte ein Drittel des Teams nach Jena verschicken, und der OBR wollte möglichst nichts bezahlen. Auch sollte der Titel Elf 99 nicht erhalten bleiben.

Laut Langerbeck hat es bislang „keinerlei inhaltliche Kompromisse“ gegeben: „Das Programm wird so, wie es ist, weitergeführt.“ Neben dem Bewährten sind dann aber ein paar livestylige Ergänzungen doch dabei. Sie machen Elf 99 ein wenig „älter“: Beispielsweise die „Wette der Woche“, ein „VIP-Überfall“, Kochrezepte und eine „Auf- und Absteiger“-Rubrik. Mal sehen, wie lange „die Störung“ noch „System hat“, wie die Elf-99-Eigenwerbung verheißt.