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Chaos in Moskau bedroht Truppenabzug

Berlin (taz) — Durch die fortschreitende Auflösung zentraler Planungs- und Verwaltungsbehörden in Moskau wird sich möglicherweise auch der Abzug der ehemaligen sowjetischen Armee aus Deutschland verzögern. Bis Anfang dieses Jahres hatten nach Angaben der 'Berliner Morgenpost‘ bereits 160.000 Soldaten und deren Angehörige aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) ihre Stationierungsorte in Ostdeutschland verlassen; die restlichen 225.000 Armeeangehörigen sowie etwa 160.000 Familienmitglieder und Zivilisten der sogenannten West-Gruppe der Truppen (WGT) sollten bis Ende 1994 in ihre Heimat zurückgekehrt sein.

Um den Abzug zu beschleunigen und absehbare soziale Härten abzufedern, hatte die Bundesregierung 1991 insgesamt 7,8 Milliarden Mark Steuergelder für ein Wohnungsbauprogramm in der früheren Sowjetunion zur Verfügung gestellt, das ausdrücklich den abziehenden Soldaten zugute kommen sollte. Aufgrund „chaotischer“ Zustände in der Moskauer Bürokratie, so die 'Bunte‘ in ihrer jüngsten Ausgabe, fehlten den Bonner Verhandlungsführern und der Bauwirtschaft jetzt die Verhandlungspartner im Osten. Wie und wo unter diesen Umständen die geplanten 36.000 Wohnungen fertiggestellt werden können, scheint damit noch völlig ungeklärt.

Außerdem, so die 'Berliner Morgenpost‘, häuften sich im Bonner Verteidigungsministerium konkrete Hinweise, daß regionale Gebietskörperschaften in der neuen GUS „den heimkehrenden Soldaten, vor allem Offiziersfamilien, den Einzug in die von Bonn finanzierten Häuser mit der Begründung verweigern, die Armeeangehörigen hätten lange genug Privilegien in Deutschland genossen“. Ob über diese Fragen auch am Dienstag, wenn deutsche und russische Militärs über den weiteren Abzug verhandeln wollen, ebenfalls gesprochen wird, war am Wochenende nicht zu erfahren.

Unterdessen häuft sich die Kritik an der Verteilung der deutschen Lebensmittelhilfe in Rußland. Ein erheblicher Teil der Hilfslieferungen soll von organisierten Banden geraubt und auf Schwarzmärkten zu Wucherpreisen verkauft werden. Nach Auskunft von 'Bild am Sonntag‘ hat die Chefökonomin der Moskauer Stadtregierung in diesem Zusammenhang zugegeben: „Wir haben darüber keine Kontrolle mehr.“ Der Abgeordnete Alexander Rodin im Petersburger Stadtparlament hat nach Auskunft der 'Berliner Morgenpost‘ festgestellt, daß 90 Prozent aller Spenden und Pakete nicht bei den Bedürftigen ankommen, sondern in militärischen Sammellagern gehortet werden. Seit dem 2. Januar werden von der Petersburger Stadtverwaltung alle nicht persönlich adressierten Hilfspakete verkauft. Der Erlös kommt, so die 'BamS‘, einem dubiosen Stabilitätsfonds zugute, der die gleiche Kontonummer bei der Bank von Rußland hat wie die ehemalige Kommunistische Partei. bg

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