Was der Zitteraal verschwieg

■ Abermals keine Opfer zu beklagen: die 163. Eiswette ist ausgestanden

hierhin bitte das

Foto, welches

von einem schwarzen

Rücken fast

ausgefüllt wird

Der Prüfschneider, vor seiner Ermittlung, daß die Weser eisfrei sei

Vater Piranha hatte schon zweimal die Abbiegerspur in die Weser verpaßt. „Sind wir bald da?“ maulte das jüngste Piranha-Kind, „ich habe Hunger!“ Mutter Piranha grinste.

Die ganze Sippschaft hatte sich, in Erwartung eines sicheren Leckerbissens, auf den Weg nach Bremen gemacht. Als der Zitteraal vom Hai gehört hatte, daß es dort, an einem der Nordsee-Zuläufe, Jahr für Jahr ein Festmahl gebe, allwo ein hilfloser Schneider von einer Menge befrackter Herren in die Fluten getrieben werde, gab es für die Fischlein kein Halten. „Eiswette“ nannten angeblich die Menschen diesen Test, ob der Fluß namens Weser am Dreikönigstag nun zugefroren sei oder nicht.

„Die spinnen, die Menschen“, blubberte Piranhas Mittlerer. Schließlich wußte jedes Fischkind, daß die salzhaltige Weser schon seit Ende des letzten Jahr

hunderts nicht mehr zugefroren war — seit die Menschen am Fluß herumgebuddelt hatten.

„Still, wir sind da!“ herrschte Vater Piranha. Gleichzeitig mit der Sippe war auf Landseite ein Troß dunkler Limousinen eingetroffen; befrackte Männer mit Zylindern, andere mit Melonen auf den Köpfen gingen auf den Fluß zu. Ihnen folgten die Hl. Drei Könige. „Aber die gibt's doch gar nicht“, piepste das Piranha-Jüngste aufgeregt. „Der Schwarze ist ja bloß getüncht“, sagte der Papa.

„Wann geht's denn los?“ fragte der Kleine.

„Jetzt wird der Schneider gewogen!“

„Und, und??!“ redeten alle durcheinander.

„Verdammt, der darf nur 99 Pfund wiegen“, berichtete der Vater. „Aber er ist viel schwerer!“

„Hurra!“ rief der Piranha- Jüngste.

„Und wenn sie ihn jetzt nicht reinwerfen? „ Die Mutter zitterte.

„Das wird schon. Er redet sich raus. Jetzt kommt er! Alles auf die Plätze!“

„Ich seh gar nichts“ rief das Kleinste, das dauernd von der Verwandtschaft untergetaucht wurde.

Geradezu fröhlich lief der Schneider, der aus unerfindlichen Gründen Weihrauch in einem Bügeleisen transportierte, auf den Fluß zu - „Ich will auch was abhaben!“ schrie der Kleinste, doch da: Der Schneider bestieg ein Boot der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und setzte elegant zum anderen Ufer über. „Neeiinnn!!!“ schrie der Vater, außer sich vor Zorn, „die GzRS schon wieder!“

Im selben Moment ging ein Steinhagel auf die Piranha-Sippe nieder. „Verdammt, die haben uns entdeckt! Nix wie weg!“

Der Zitteraal hatte nämlich gelogen! Schon seit vielen Jahren nämlich rettete sich der Schneider trockenen Fußes mit einem Boot auf die andere Flußseite. Und während einer der Honoratioren an Land laut „Die Weser geiht!“ verkündete, dachte der jüngste Piranha: Alles Beschiß, diese Familienausflüge! Susanne Kaiser