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Kein Japan-Spezialist

■ Ein Gespräch mit Georges Banu

taz: Das Privileg der vielen Blickwinkel kennzeichnet Ihren Werdegang.

Georges Banu: Meine Ausbildung ist erstmal doppelt: Ich konnte Praxis und Theorie vereinen, indem ich am Konservatorium in Bukarest eine Schauspielschule besuchte und wenig später begann, Theater- und Filmkritik zu studieren. Als ich aus Rumänien wegging, wollte ich vor allem den wissenschaftlichen Zweig weiterverfolgen. In Frankreich studierte ich daher sofort an der Sorbonne. Aber mein Ausgangspunkt war immer die konkrete Kenntnis des Theaterspiels. Daß ich diese doppelte Ausbildung genießen konnte, verdanke ich der Situation in Bukarest, wo mir beides angeboten wurde. Eigentlich — wenn ich jetzt zurückblicke — sehe ich meinen Werdegang dreifach: meine Ost-West-Erfahrung, die Theaterpraxis und die Universität.

Welche Stellung nimmt dabei die Theaterkritik ein?

Ich hatte in Rumänien früh begonnen, für wichtige Zeitungen zu arbeiten, aber ich habe noch nie in meinem Leben für eine Tageszeitung geschrieben, immer nur für Zeitschriften. Die Texte, die ich schreibe, sind für Tageszeitungen wenig geeignet, ich bevorzuge sehr spezifische Themen. Um meine Essays gut unterzubringen (lacht), habe ich selbst eine Zeitschrift gegründet: 'L'art du theatre‘.

Welches sind konstante Themen, die Sie verfolgen?

Ich habe viel über Theater und Erinnerung gearbeitet, das ist eines meiner Lieblingsthemen. Die Faszination der Form kenne ich nicht. Meine Essays und Bücher tragen die Erfahrung des Fremden in sich, dessen, der sein Land verläßt. Meine Bücher kennzeichnen keine Innenansichten — ich bin zum Beispiel kein Japan-Spezialist —, sie haben vielmehr den Blick der Zuschauer in sich, aus der Ferne.

Zur Fremdheit, die Sie theoretisieren, gehört auch die Fremdheit des Schauspielers.

Fremdheit ist für mich keine gänzlich offene Idee. Denn alles, was zu offen, zu permissiv ist, verliert für mich an Interesse. Bei Schauspielern und Schauspielerinnen aus verschiedenen Ländern, die zusammenarbeiten, finde ich die Präsenz des Akzents deshalb interessant, weil es eine Art explosiver Konfrontation verschiedener Kontexte gibt, vor allem dort, wo der Akzent ein gewisses Regime vertritt oder an eine Terrorherrschaft erinnert. Ich glaube, daß das Problem der nationalen Identität im Theater durch einen klugen Umgang mit der Wirkung des Akzents angegangen werden muß. Das Interessante und Schwierige ist die Kontaktaufnahme mit anderen Schauspielern, die Auseinandersetzung mit einer fremden Umgebung. Ich fände es zum Beispiel unwichtig, in Paris ein Theater ausschließlich mit Rumänen — oder in Deutschland mit Türken — zu machen. In der Konfrontation liegt für mich der Reiz, in der Konfrontation mit dem fremden Dasein als etwas Außergewöhnlichem und nicht als etwas Banalem. Interview:

Margit Knapp Cazzola

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