: Botschaften direkt ans Hirn
■ Subliminale Texte und Bilder im Fernsehn, im Walkman und im Warenhaus / Uni-Bremen-Forscher kurz vor dem Nachweis der Wirksamkeit
Nehmen wir an, Sie kommen aus einem bedeutenden lokalen Musik- und Tonträgerladen und haben keine CD geklaut. Das könnte daher kommen, daß Sie beeinflußt worden sind. Subliminal. Daß unhörbar unter die Musikberieselung gemixt wurde: „Ich bin zufrieden, ich klaue nicht.“ Nehmen wir an, kurz vor der „Tagesschau“ verspüren Sie den überwältigenden Wunsch, eine gewisse Zigarettenmarke zu rauchen, die nach Pyramiden und Dromedaren schmeckt. Womöglich waren in der Werbung subliminale Bilder versteckt. Ihr Nachbar hat einen „Walkman“ auf den Ohren und grinst blöde glücklich: Kann sein, er läßt sich gerade subliminale Botschaften einflüstern des Inhalts Alle lieben mich ... ich bin Spitze ... „Whole Brain Subliminal“-Kassetten werden jetzt von amerikanischen Ärzten depressiven Patienten verschrieben und machen auch in Deutschland Kasse.
Die drei Fälle haben zweierlei gemein: Jedesmal wird unter Umgehung des Bewußtseins eine Botschaft übermittelt. Und: die Beispiele entspringen keiner paranoiden Orwellschen Fantasie; sie kommen in der Praxis vor. Über die Wirksamkeit solcher sublimer Beeinflussungsversuche liegen allerdings bisher keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Eine Forschergruppe an der Uni Bremen hat sich vorgenommen, hier Abhilfe zu schaffen. Das Institut für Psychologie und Kognitionsforschung unter Leitung von Prof.Michael Stadler hat nämlich eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, die „Erfolge“ subliminarer Botschaften statistisch zu überprüfen. Zwischenergebnisse lassen vermuten, daß es sich bei diesem Phänomen keineswegs um Mumpitz, Betrug oder Placebo-Effekt handelt; die sublimen, „unterschwelligen“ Sprüche kommen an und werden häufig genug befolgt.
Wie wird Wirklichkeit konstruiert? Eine Grundfrage der Kognitionsforscher. Wie ordnen wir den „brausenden Trubel von Sinneseindrücken“, dem wir ausgesetzt sind? Lehrreich ist, den Menschen in einer unsicheren, „instabilen“ Entscheidungssituation zu beobachten. Hier reichen nämlich kleinste Impulse, die Entscheidung zu beeinflussen. Der Mensch wird extrem anfällig für alle Arten von Suggestion. Das ist u.a. das A und O der Hypnose. Peter Kruse, Psychologe und wissenschaftlicher Assistent am Institut, weiß jede Menge Beispiele für solche Situationen. Im absolut dunkelen Raum etwa scheint sich ein feststehender Lichtpunkt zu bewegen. Flüstert man der Versuchsperson das Wort „Luftballon“ ein, meint sie, den Punkt steigen zu sehen. Multistabile Bilder wie das, auf dem man abwechselnd eine alte und eine junge Frau sieht, werden eher in der zweiten Version gesehen, wenn vorher über eine Party mit lauter netten jungen Mädchen gesprochen wurde. „Die Werbung benutzt bewußt diese Technik, instabile Situationen zu schaffen,“ erklärt Kruse; beliebt sind z.B. mehrdeutige Sprüche wie „Was anderes kommt nicht in die Tüte“ einer Kaufhauskette oder auch die verwirrende Vielfalt gleicher Produkte auf dem Arzneimittelsektor. Unter solchen Umständen ist der Kunde nach Kruses Meinung für geschäftsfördernde Suggestionen besonders zugänglich.
Solche „instabilen Situationen“ boten sich geradezu an, einmal die subliminalen Kassetten auszuprobieren. Würden sich die
Peter Kruse, Uni-Psychologe, im Labor: Ist die Testperson suggestibel?Foto: Christoph Holzapfel
unhörbaren Suggestionen nachweisen lassen? Peter Kruse setzte sich mit dem Hersteller der Subliminalkassetten in Verbindung; der produzierte eine Kassette mit dem (unterschwelligen) Text „Nach oben“; hörbar war nur Geplätscher und Musikgedudel. Versuche in der Dunkelkammer mit dem Lichtpunkt ergaben signifikant mehr Personen, die den Punkt nach oben wandern sahen, als in Vergleichsgruppen ohne Text oder mit „überschwelligem“, hörbarem Text.
Im Sommer denkt Peter Kruse wissenschaftlich abgesicherte Er
hierhin den Bart mit
computer
gebnisse vorlegen zu können. Müssen wir Angst haben, via Radio, Fernsehen, Lautsprecheranlagen und Musikkassetten ohne unser Wissen allen möglichen Einflüssen ausgesetzt zu sein? Kruse sieht zunächst ein Problem: Menschen mit schweren psychischen Problemen könnten versuchen, sich mit dem Walkman selbst zu therapieren. Mit unabsehbaren Folgen. Kontrolle, außer bei der Produktion, hält er allerdings schlicht für unmöglich. Das patentierte Verfahren eines Dr.Taylor, den Text der Kassette „unter die Schwelle“ zu
bringen, ist andersherum sehr aufwendig: Musik und Störgeräusche müssen herausgefiltert werden. Nur wenige Stichproben wären möglich. Man muß auf eine informelle Vereinbarung der werbenden Wirtschaft vertrauen, die subliminalen Finger wenigstens vom TV zu lassen.
Übrigens würde Peter Kruse „Ich bin gut“-Kassetten, auch wenn sie funktionierten, nicht benutzen. „Die brauche ich nicht. Ich habe mein autogenes Training. Die Instruktionen habe ich für mich selbst formuliert.“ Burkhard Straßmann
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